Der rasende Unglücksrabe

■ Der Brite Nigel Mansell, bislang tragische Figur der Formel 1, wurde in Ungarn vorzeitig Weltmeister

Berlin (taz/dpa) — Ein kleines Wunder ist es schon, daß dem Briten Nigel Mansell nicht in der letzten Runde des Großen Preises von Ungarn ein Rad abgefallen ist, ihm das Benzin auslief oder er wenigstens seinen Zündschlüssel im Hotel vergessen hatte. Als notorischer Pechvogel des Formel-1-Zirkus hat der 39jährige diesmal eindeutig versagt. Bereits fünf Rennen vor Abschluß der Saison sicherte sich der 29fache Grand-Prix-Sieger zum erstenmal in seiner 13jährigen Karriere den Weltmeistertitel.

Allerdings räumte ihm erst das Mißgeschick seines Williams- Teamkollegen Riccardo Patrese den Weg frei. Der Italiener hatte mit einer halben Minute Vorsprung sicher geführt, ein Sieg hätte ihm die WM-Chance erhalten. Doch in der 39. Runde sauste Patrese nach einem Dreher von der Strecke und landete im Acker. Der 38jährige fuhr zwar weiter, mußte in der 55. Runde wegen eines Motorschadens aber endgültig ausscheiden.

„Mir ist eine hundert Tonnen schwere Last von den Schultern gefallen“, bekannte Mansell, der gut daran tat, sich den Titel diesmal schon so früh zu sichern. Schließlich hat er ausgiebig die Erfahrung gemacht, wie es ist, kurz vor dem Triumph zu stehen und doch noch zu scheitern. 1986 platzte ihm im letzten Rennen in Australien ein Reifen, 1987 verletzte er sich in Japan im Training, letztes Jahr wurde ihm in Portugal eine lockere Radmutter zum Verhängnis. Jedesmal blieb dem Engländer bloß die Vizeweltmeisterschaft.

Entnervt wollte der rasende Unglücksrabe bereits seine Karriere beenden, doch Teamchef Frank Williams überredete den schnauzbärtigen Crash-Künstler, der es in diesem Jahr in Rio sogar fertigbrachte, beim Ausparken mit einem Mietwagen zwei Autos zu demolieren, zum Weitermachen. Diesmal paßte alles zusammen. Die Williams-Renault von Mansell und Patrese waren der Konkurrenz haushoch überlegen, und der Brite erwischte einen exzellenten Saisonstart. Er gewann fünf Rennen in Folge, was noch keinem Fahrer vor ihm gelungen war. Dies bescherte ihm eine dickes Polster in der WM- Wertung, von dem er auch nach einigen Rückschlägen noch zehren konnte. Mit nunmehr 92 Punkten ist er von Patrese (40) und dem Brasilianer Ayrton Senna (34), der das Rennen auf dem Hungaroring von Budapest gewann, nicht mehr einzuholen.

Ungewiß ist trotz des WM-Triumphs die Zukunft Mansells bei Williams-Renault. Die französische Fraktion des Unternehmens möchten gern ihren wesentlich werbewirksameren Landsmann Alain Prost als neuen Star ins Team holen, und es ist kaum anzunehmen, daß sich der frischgebackene Champion aus Upton-on-Severn so ohne weiteres in die zweite Reihe zurückdrängen läßt. Sogar eine Verpflichtung Ayrton Sennas, der sich neuerdings angeblich sogar mit Prost verträgt, soll erwogen werden. Mansell, der schon im Alter von sieben Jahren mit Vaters Atuo über die Feldwege düste, denkt jedoch nicht daran, klein beizugeben: „Ich will 1993 meinen Titel im gleichen Team verteidigen.“ Matti