Honecker muß auf Haftprüfung warten

■ Entscheidung über Freilassung nicht vor Ende August/ Anwalt rechnet mit Prozeß trotz Krebserkrankung

Köln/Berlin (AFP/dpa/taz) — Der Honecker-Anwalt Friedrich Wolff rechnet ungeachtet der schweren Krebserkrankung seines Mandanten damit, daß die Hauptverhandlung gegen den früheren Staats- und Parteichef der DDR vor dem Berliner Landgericht stattfinden wird. Der Fall sei „vielleicht einmalig in der deutschen Justiz“, sagte Wolff dem Express. Mit Erich Honecker werde ein Mann vor Gericht gestellt, der zwar „todkrank“ sei, sich aber „verständlich machen“ könne und auch „gar nicht so schlecht“ aussehe. Dafür gebe es in der deutschen Rechtsprechung noch keinen Präzedenzfall. Wolff stellte die Frage, welchen Sinn es habe, ein Verfahren zu beginnen, das „mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht einmal zu Ende geführt“ werden könne.

Die Berliner Justiz rechnet nicht mit einer schnellen Entscheidung über die Anträge der Verteidiger Erich Honeckers zur Aufhebung des Haftbefehls und der Nichteröffnung eines Hauptverfahrens. Justizsprecherin Uta Fölster betonte: „Ich gehe nach wie vor davon aus, daß darüber entschieden wird, wenn dem Gericht das Gutachten von Professor Volkmar Schneider vorliegt.“ Dieses medizinische Gutachten soll Grundlage für einen neuerlichen Haftprüfungstermin sein, der für Ende August bis Anfang September erwartet wird.

Nach Informationen der Berliner Morgenpost soll bei Honecker Leberkrebs schon festgestellt worden sein, als er noch SED-Generalsekretär war. Von einem Eingriff sei im Sommer 1989 jedoch abgesehen worden sein, weil Honecker danach vermutlich monatelang bettlägerig gewesen wäre. Der frühere Botschafter der Sowjetunion in der DDDR, Pjotr Abrassimow, hat eine maßgebliche Verantwortung Moskaus für den Bau der Berliner Mauer und das DDR-Grenzregime zurückgewiesen. Falls der ehemalige SED- Chef und Staatsratsvorsitzende Erich Honecker in dem geplanten Prozeß gegen ihn auf die frühere UdSSR-Führung als Mitschuldige verweisen sollte, so wäre dies ein „ganz untauglicher Versuch, Tote zur Verantwortung ziehen zu wollen“.