Berliner SPD nimmt Momper den Bau nicht ab

■ Nach dem gestrigen Rücktritt Walter Mompers vom Parteivor-sitz der Berliner SPD stellt sich die Frage, wer ihn beerben darf und will. Favorit ist die Hoffnung der Ost-Sozis: Wolfgang Thierse...

Berliner SPD nimmt Momper den Bau nicht ab Nach dem gestrigen Rücktritt Walter Mompers vom Parteivorsitz der Berliner SPD stellt sich die Frage, wer ihn beerben darf — und will. Favorit ist die Hoffnung der Ost-Sozis: Wolfgang Thierse. Der allerdings will Bedenkzeit.

Am Ende ließ sich Walter Momper nicht mehr lange bitten. Als gestern früh um 8.15 Uhr der Geschäftsführende Landesvorstand der Berliner SPD zusammentrat, um über Mompers Eintritt in die Geschäftsführung der Immobilienfirma Ellinghaus zu beraten, nahm der Vorsitzende sofort das Wort. Die Kritik an seiner neuen Tätigkeit grenze an „Ehrabschneiderei“, schimpfte der Noch-Parteichef. Für „einige Kreise“ in der Partei sei das alles ein „reiner Vorwand“. Das, schloß Momper, „mache ich nicht mit. Ich trete als Landesvorsitzender zurück.“ Sprach's und verließ den Saal im zweiten Stock der Parteizentrale im Arbeiterbezirk Wedding.

„Daß man mich schlichtweg loswerden wollte“, so Momper anschließend vor Journalisten, dieser Erkenntnis konnte er sich am Ende einfach nicht mehr verschließen. Noch am Freitag hatte er einen Rücktritt weit von sich gewiesen — obwohl da schon alle Flügel der zwischen Rechten und Linken, Ossis und Wessis zerrissenen Partei offen im Aufstand waren. Die Argumente, die auch Mompers Freunde gegen seinen Einstieg in die anrüchige Berliner Baubranche vorgebracht hatten, mochten dem Politiker auch gestern nicht einleuchten.

„Rivalitätsgründe“ steckten wohl hinter dem Parteiaufstand, mutmaßte Momper — und spielte damit auf seinen alten Widersacher Ditmar Staffelt an, der seit dem Schiffbruch der von Momper geführten rot-grünen Senatskoalition und der darauffolgenden Wahlniederlage der SPD im Dezember 1990 leise, aber beharrlich an Mompers Stuhl gesägt hatte. „Substantielle Kritik“ an der Firma Ellinghaus, so Mompers Vorwurf an die Partei, sei von niemandem geübt worden, auch keine „wesentliche Kritik“ an seiner Politik. War es vielleicht doch die Wahlschlappe, für die er nun mit Zeitverzögerung geopfert wurde? Diese Frage wollte Momper nicht beantworten: „Ich bin mir zu schade, darüber rumzuspekulieren.“

Ein weites Feld für Spekulationen bietet dafür einstweilen die Frage, wer Momper beerben darf — und will. Der Bundestagsabgeordnete Gerd Wartenberg, von vielen Parteilinken favorisiert, erklärte gestern seinen Verzicht. Auch die Appelle der Genossen in der Vorstandssitzung konnten ihn nicht erweichen. Wartenberg nach der Sitzung zur taz: „Klipp und klar, ich stehe nicht zur Verfügung.“ Fraktionschef Staffelt, dem nach Mompers Abschied die Spitzenkandidatur zu den nächsten Wahlen scheinbar nicht mehr zu nehmen ist, würde zwar antreten — aber nur wenn sich keine andere „starke Lösung“ anbietet. Deshalb schien gestern alles auf einen Dritten zuzulaufen: auf Wolfgang Thierse.

Der ehemalige Vorsitzende der SPD der DDR, der heute einer der Vizevorsitzenden der Bundes-SPD und Abgeordneter im Bundestag ist, hat sich „eine Woche Bedenkzeit“ ausbedungen — so sagen es seine Freunde. Daß Thierse mit einer breiten Mehrheit rechnen könnte, gilt als sicher. Vor allem die Ostberliner Sozialdemokraten setzen große Hoffnungen in ihn. „Wenn Thierse zusagt, ist das auch ein Zeichen“, sagte gestern der aus dem Ostteil stammende Jugendsenator Thomas Krüger zur taz. „Bisher haben auch in Berlin die erfahrenen, routinierten Leute aus der West-SPD den Takt angegeben. Mit Thierse könnte erstmals ein Ostberliner an verantwortlicher Stelle Perspektiven aufzeigen, wie eine Bewältigung der Probleme der Einheit aussehen könnte.“ Überdies, so Krügers Hoffnung, könnte der Ostberliner auch Intellektuelle aus Ost und West neu an die Berliner SPD binden.

Freilich kämen auf ihn auch Probleme zu, darauf weisen übrigens vor allem die Mitarbeiter von Fraktionschef Ditmar Staffelt hin. Bisher ist Thierse der „inoffizielle Chef der Ost-SPD“. Mit dem Berliner Amt müßte er einen Landesverband repräsentieren, der westlich geprägt ist — und er müßte sich in die Niederungen eines von Flügelkämpfen geprägten Parteialltags begeben. Am nächsten Montag läuft Thierses Bedenkzeit aus. Dann will der Landesausschuß der Berliner SPD einen Nachfolgekandidaten für Momper präsentieren. Hans-Martin Tillack, Berlin