In einer roten Kapsel durch die Innenstadt

■ Selten trifft man so viele gutgelaunte Menschen wie mit einem Solarmobil in der Berliner Innenstadt/ Ungläubiges Bestaunen der Fahrerin/ Wäre Strom unbürokratischer zugänglich, könnten die Mobile auch zum Alltagsbild gehören

Berlin. Was Sie auf dem Bild sehen, fährt tatsächlich. Und man braucht dafür einen Führerschein. Nein, und auch für den Radweg ist es nicht vorgesehen, sondern für den ganz normalen Straßenverkehr. Solange man mit dem Elektroauto »Mini El-City« nicht gefahren ist, glaubt man gar nicht, was man staunenden Passanten alles erklären muß — an der Ampel, auf dem Parkplatz, während der Fahrt. Das einsitzige Solarmobil ist halt ein bißchen kleiner als seine großen Brüder; statt Benzin oder Diesel begnügt es sich mit Strom aus der Steckdose — und ist somit zumindest theoretisch mit Sonnenenergie betreibbar.

Außerdem sind seit neuestem drei Solarzellen auf dem Dach angebracht, die noch einmal ein paar Kilometer Strecke herausholen. Wenn das in Dänemark produzierte Citymobil einmal steht, braucht es seine Ruhe — nach acht bis neun Stunden, angebunden an der Steckdose, sind die Akkus wieder voll aufgeladen. Dann fährt das Mobil etwa dreißig Kilometer mit einer Höchstgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern durch Berlin. Mitnehmen kann man bei der Fahrt höchstens ein Kind — für Erwachsene wird es wahrlich zu eng. Dafür lernt man unterwegs genug Leute kennen.

Freitagabend auf dem Breitscheidplatz. Kaum hat die Autorin das Auto verlassen (und sich zum wiederholten Male fast beide Arme gebrochen bei dem Versuch, das Verdeck samt seiner Solarzellen über ihren Kopf zu erheben), umzingeln sie auch schon zehn Leute mit dummen Sprüchen, mittelmäßig intelligenten Fragen und schlauen Ratschlägen. Was für ein Auftritt! Kleine Blonde entsteigt Mondfahrzeug! Tja, Autos machen eben doch Leute. »Echt stark, ey«, monologisiert einer immer wieder — Herkunftsland Rheinland, Budweiser- T-Shirt, Badelatschen (auf dem Ku'damm).

Irgendwann findet er auch den Rest seiner Sprache wieder. »Auf der Bahn wär' mir das Teil ja ein bißchen langsam.« Da braucht der Herr schon seinen »Gedi« (GTI!). »Aber so für die Stadt.« Starrt, beäugt, mustert — nicht mehr das Auto, sondern die Autorin dieses Textes. Will sagen: Und überhaupt, für dich wird es schon reichen. Frauen halt! Freut sich. Andere Passanten streichen dem kleinen roten Faszinosum derweil zärtlich über das Dach. »Bei dem Wetter fährt sich so ein Ding prima, was?« freut sich eine Frau in der felsenfesten Überzeugung, daß Solarmobile bei direkter Sonneneinstrahlung sozusagen von selbst losfahren (heißen doch so, oder?) — bei der Geschichte mit der Steckdose guckt sie enttäuscht. »Aber unser Strom kommt doch gar nicht von der Sonne.«

Auch andere sind skeptisch. 12.000 Mark für so ein kleines Auto. In Urlaub fahren ist wohl nicht, oder? Andererseits, nur ein bis zwei Mark »Spritkosten« auf 100 Kilometern und keine Steuern... Ob man denn mit dem »Ding« auch durch die Waschstraße fahren könne? Keine Ahnung. Hab' noch nie drüber nachgedacht. Aber jetzt, wo Sie es sagen...

Der Budweiser-Rheinländer ist begeistert. Fast neidisch guckt er. »Tja, mit so 'nem Teil hast du die Show im Sack, wa?« Klar, kein Thema. Auf der Kantstraße hängt ein Schweizer mit dem Camcorder aus der Beifahrertür und filmt das dreibeinige Gefährt als Urlaubsandenken, Straßenmusiker hören auf, auf ihrer Geige zu spielen, Menschen strahlen, winken, rufen aufmunternde Worte. Eine Stunde, eingeschlossen in einer kleinen roten Kapsel, voll der Illusion, Berlin sei eine weltoffene Stadt mit lauter gutgelaunten Menschen. Doch der Schein trügt. Nach 30 Kilometern ist der Traum vorbei. Zurück aufs Fahrrad, mitten hinein zwischen all die neurotischen Autofahrer. Der kleine Flitzer braucht jetzt seine Ruhe — Herzschrittmacher Steckdose. Doch erst mal eine finden. Solartankstellen gibt es nicht in Berlin. Sonst könnte man mit den Mobilen wohl nicht soviel Aufsehen erregen.

Nur etwa zehn Solarmobile fahren in Berlin umher, schätzen die Mitarbeiter von »EnergieBiss« in der Schöneberger Geisbergstraße, Ansprechpartner für potentielle Interessenten, die den »Mini El-City« auch als Firmenwagen nutzen. Schon bei ihnen erweist sich das Stromtanken als schwierig. Entweder sie fahren auf dem Bürgersteig an die Hauswand — das ist verboten — oder sie verlegen ein Stromkabel auf die Straße — das ist genauso verboten — wenn jemand darüber fällt, sind sie dran. Um ein Kabel unter den Platten auf die Straße zu verlegen, müßten von Gasag über Bewag zu Tiefbauamt und Senatsverwaltungen bei insgesamt elf Stellen Genehmigungen eingeholt werden, die keinerlei Erfahrungen auf dem Gebiet haben.

Selbst wenn der Kampf gewonnen würde, dürften zwar die EnergieBiss-Mitarbeiter dort »tanken« — an andere Elektroautobesitzer Strom verkaufen dürften sie aber deswegen noch lange nicht. Die zehn, die sich mit dieser umweltfreundlichen Variante durch die Stadt bewegen, sind vermutlich allesamt Haus- und Garagenbesitzer in zentraler Lage. Jeannette Goddar

Wer mehr wissen will: EnergieBiss, Gesellschaft für Sonnenenergienutzung, Geisbergstraße 12-13, Berlin 30, Telefon 2189433.