KOMMENTAR
: Unvergleichbar

■ Autofahrer sind keine NS-Mörder, Tempo 50 kein Todesschuß

Es gibt in der deutschen Linken eine lange, unrühmliche Tradition, mißliebige innenpolitische Vorgänge auf eine Stufe zu stellen mit Geschehnissen aus dem Dritten Reich und seinem ideologischen Umfeld. Die Verwendung des vermeintlich trennscharfen Begriffs »faschistoid« ist inflationär und trägt lediglich dazu bei, im Kern vielleicht berechtigte Anliegen politisch und moralisch höchst angreifbar zu machen. Nichtsdestotrotz werden aus der links-alternativen Ecke immer wieder ungeheuerliche Analogien bemüht: Da verglich im vergangenen Jahr ein Stadtrat vom Bündnis 90 die Schließung von Kitas mit der »Endlösung der Judenfrage«, da bezeichnet sich der wegen Stasi-Verdachts entlassene Rektor der Humboldt-Universität als Heinrich »Stasi« Fink, und, neuestes Beispiel, da setzt die Vorsitzende des Berliner ADFC Autofahrer mit NS-Massenmördern gleich, die bewußt Kinder »vergasen«. Auch auf Nachfrage der taz wollte sie den Vergleich stehen lassen. Nichts, aber auch gar nichts, keine Brutalität im Straßenverkehr, rechtfertigt einen solchen Vergleich, der sämtliche historischen Kategorien nivelliert.

Die Äußerungen sind nur ein weiterer Ausdruck einer verquasten politischen Kultur der Linken. Diese reklamiert zwar immer einen kritischen Umgang mit der deutschen Geschichte für sich, verstellt sich aber zugleich mit Vorurteilen und holzschnittartigen Wahrnehmungen den Blick auf die Realität. Deswegen ist die ADFC-Vorsitzende auf ihrem Posten fehl am Platz. Wer sich mit solchen Äußerungen moralisch zum Opfer-Typus hochstilisiert, der auf einer Stufe mit den Opfern des NS-Massenmordes steht, ist politisch und auch moralisch unglaubwürdig. Auch die Äußerung eines BUND-Mitglieds in dieser Woche, daß die Erlaubnis für Tempo 50 mit den Todesschüssen an der Mauer gleichzusetzen sei, illustriert die Hochkonjunktur von Analogien mit totalitären Regimen. Die Mitglieder von ADFC und BUND müssen sich die Frage stellen, ob sie sich von derartigen öffentlichen Äußerungen vertreten fühlen. Der Sturm der Entrüstung aus den eigenen Reihen müßte mindestens genauso groß sein wie der gegen die sogenannte etablierte (Verkehrs-)Politik. Kordula Doerfler