TOTE HAUSTIERE IN CORPUS CHRISTI Von Andrea Böhm

Schade, daß dieses Land mit seinen unbegrenzten Möglichkeiten zwar einen Elvis, einen Kater Garfield und einen Dan Quayle hervorgebracht hat, aber nie einen Robert Lembke. Nirgendwo könnte man sich beim „Heiteren Beruferaten“ so sehr das Hirn verrenken wie in Amerika. Einen Fernsehprediger als solchen zu identifizieren — das hätte selbst Lembkes Wienerwald-Rateteam noch zustande gebracht. Aber ein professioneller „Oscar-Dealer“ (Person, die zur Finanzierung des Lebensunterhalts mit den gleichnamigen Filmtrophäen handelt) oder ein „Tattoo-Remover“ (entfernt Verzierungen auf der Haut, die eigentlich fürs ganze Leben gedacht waren) hätten sämtliche Schweinderl und das dazugehörige Geld abgeräumt. Cheri Piccirillo auch.

Die Dame war mal Sozialarbeiterin. Heute steht auf ihrer Business- Karte: „Ich garantiere Ihnen eine allseits befriedigende Lösung in einer emotional schwierigen Phase — für Sie, Ihr Haustier und die Umwelt.“ Jetzt denken wahrscheinlich alle, Cheri Piccirillo hat sich für Herrchen und Frauchen ein wahnsinnig geniales Instrument zur Beseitigung fester Ausscheidungen ihrer Hunde auf öffentlichen Straßen einfallen lassen. Völlig falsch geraten, zumal die tierische Verdauungstätigkeit weder beim Halter noch beim Hund eine emotional schwierige Phase einleiten. Höchstens bei dem, der danach drauftritt. Nein, hier geht es nicht um Erfindungsgeist, sondern um Pietät. Die Texanerin betreibt ein Bestattungsunternehmen für Haustiere — in einem Ort mit dem klangvollen Namen Corpus Christi.

Das Leben währt bekanntlich nicht ewig — und nicht einmal Chihuahuas können sich über diese Grundregel hinwegsetzen. In Corpus Christi hat man das Problem schon lange erkannt und einen Hundefriedhof eingerichtet. Auf einheitlichen Grabsteinen können die Hinterbliebenen ihrem Freund einen letzten Gruß in den Marmor kratzen. Dann findet der Vierbeiner seine letzte Ruhe — flankiert von einem Blumenstrauß und einem in Stein gehauenen Bassetkopf mit extrem depressivem Gesichtsausdruck. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hat man diesen Skulpturen Wollmützen aufgesetzt — offensichtlich in der Hundewelt das Äquivalent für den Trauerflor. Die ganze Anlage wirkt wie eine Mischung aus Soldatenfriedhof und „Susi und Strolch“ — und ist außerdem teuer. 200 Dollar kostet das Hundegrab. Cheri Piccirillo hat nun eine Marktlücke entdeckt und bietet für 30 bis 95 Dollar die Einäscherung an — je nach Größe des oder der Verstorbenen.

Die besondere Aufmerksamkeit der Unternehmerin gilt dem Service. Wie im richtigen Menschenleben fährt Cheri Piccirillo mit dem Auto vor, holt die sterblichen Überreste ab — und bringt die Urne mit einer persönlichen Beileidsbezeugung zurück. Die wird dann meist an einem besonderen Ort in der Wohnung postiert — zum Beispiel da, wo einst die Hundedecke samt Besitzer lag. Auf Wunsch wird die Asche auch in alle Winde oder im Golf von Mexico verstreut. Außerdem steht Cheri Piccirillo unentgeltlich bei der Trauerarbeit mit Rat und Tat zur Seite.

Das Geschäft läuft gut, was bei den bislang gebräuchlichen Alternativen nicht verwunderlich ist. Entweder kam das Lieblingstier ins Massengrab oder auf die städtische Müllhalde. Das wiederum halten Cheri Piccirillo und die Ärzte aus der Tierklinik in Corpus Christi für umweltfeindlich. Dann schon lieber die Urne ins Bücherregal.