„Hinter den Türen“ der Kairoer Stasi

Die Menschenrechtsorganisation „Middle East Watch“ veröffentlichte eine Studie über Folter in ägyptischen Gefängnissen  ■ Aus Kairo Quassem Gidran

„Mabahis Amn Ad-Daula“ — das „Büro für Ermittlungen zur Staatssicherheit“ — die bloße Erwähnung dieses Namens läßt die meisten Ägypter leiser sprechen. Wie bei jeder Organisation der Welt, die im Dienste von „Staatssicherheit“ steht, ist schwer zu sagen, was hinter den Türen dieses ägyptischen Geheimdienstes passiert.

„Hinter den Türen“ ist der Titel einer kürzlich erschienenen zweihundertseitigen Studie des New Yorker Menschenrechtsvereins „Middle East Wtch“. In ihrem Bericht klagt die Organisation den Geheimdienst an, regelmäßig zwischen 1989 bis heute Menschen gefoltert zu haben. „Offenbar beruht das ganze System darauf, daß das Personal des Sicherheitsdienstes in Foltertechniken trainiert wird“, heißt es in dem Bericht.

Die Folter werde von den Offizieren des Sicherheitsdienstes angeführt und überwacht. Sie sei normaler Bestandteil von Verhören. Schlagen, langes Stehen, Aufhängen an den Handgelenken, Schlagen auf die Fußsohlen und Elektroschocks gehörten zum Folterprogramm. Dazu käme psychologische Folter wie etwa die Drohung, daß Familienmitglieder ebenfalls festgenommen würden. Meist würden die Gefangenen nach ihrer Festnahme und vor ihrer Überstellung ins Gefängnis, dem „Mabahis“, übergeben, der direkt dem Innenministerium untersteht. Dort bleiben sie in der Regel mehrere Tage, eine Woche oder noch länger. Menschen, die auf diese Weise festgehalten werden, sind nirgends registriert. Sie sind einfach verschwunden. Manchmal würden die Gefangenen vom Mabahis auch zu einem späteren Zeitpunkt aus dem Gefängnis abgeholt, ohne daß dies irgendwo in den Unterlagen des Gefängnisses registriert würde.

Viele würden in Verwaltungshaft, das heißt ohne einen richterlichen Beschluß, festgehalten. Eine Möglichkeit, die das ägyptische Notstandsgesetz einräumt, das seit der Ermordung Sadats 1981 in Kraft ist und erst 1991 um drei Jahre verlängert wurde. Besonders bei Palästinensern und Islamisten werde diese Methode angewandt. Manche, so der Bericht, würden schon seit 1990 ohne jegliche Anklage festgehalten.

Die Studie empfiehlt der US-Regierung und der EG, die Wirtschafts- und Militärhilfe für Ägypten einzustellen, falls die Folter nicht aufhöre. Diese Forderung stieß während der Kairoer Pressekonferenz zur Vorstellung des Berichts besonders bei den Journalisten der arabischen Regierungszeitungen auf Widerspruch. Sie warfen der US-Organisation vor, daß solche Forderungen nie gegen Israel vorgebracht würden. Deren Vertreter wiesen dies entschieden mit dem Argument zurück, daß Middle East Watch auch die Einfrierung der US-Kreditgarantien an Israel gefordert habe.

Das Innenministerium reagierte in gewohnter Weise auf den Bericht. Es gebe mehr als 100.000 Offiziere in der Polizei. „Wir können nicht den Anspruch haben, daß alle in allem, was sie tun, die Menschenrechte achten“, sagte ein Vertreter des Ministeriums. 15 Polizisten säßen derzeit wegen Mißhandlung Gefangener in Haft, gegen 24 weitere sei ein Disziplinarverfahren angestrengt worden. Außerdem bezweifle das Ministerium die Richtigkeit mancher Aussagen im Bericht. „Der Angeklagte, die Zeugen des Angeklagten und dessen Verteidiger, sie alle haben ein Interesse, von Folter zu sprechen, weil dies die beste Möglichkeit ist, die Geständnisse ungültig zu machen“, erklärte der Assistent des Innenministers.

Als dessen Chef Musa 1990 sein Amt antrat, da war eines seiner Versprechen, Mißhandlungen der Polizei und Sicherheitskräfte zu bekämpfen. Er gab Instruktionen, „die Menschen besser zu behandeln“ und „korrekte Verfahren einzuhalten“. Doch besonders seit den Wahlen in Algerien, die der „Islamischen Heilsfront“ (FIS) einen überwältigenden Sieg bescherten, herrscht in der ägyptischen Regierung die Angst vor dem Domino-Effekt. Dazu kommen die wochenlangen bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen in Oberägypten. Seit Wochen machen die militanten „Gamiat Islamia“ auch nicht davor halt, Polizisten und Soldaten direkt anzugreifen. Die Regierung in Kairo antwortete mit der Entsendung von Truppen und mit zahlreichen Verhaftungen.

Hart durchzugreifen, das scheint die neue Linie in Kairo. Das ägyptische Parlament erließ vor zwei Wochen dazu eigens neue Antiterrorgesetze, die dem Staat noch mehr Freiräume bei Festnahmen geben. Die Strafen für „terroristische Aktivitäten“ und alles, was damit im Zusammenhang steht, wurden verschärft. Der Definition dessen, was Terrorismus ist, wurde ein weiterer Spielraum eingeräumt.