Streikfront bei VW-Mexiko bricht auf

Arbeitsgericht billigt Kündigung der Belegschaft/ VW-Arbeiter setzen umstrittene Gewerkschaftsführung ab/ Konflikt zwischen Management und Belegschaft noch nicht beendet  ■ Von Martin Kempe

Berlin (taz) — In dem seit vier Wochen andauernden Arbeitskonflikt bei VW in Mexiko haben sich die Fronten geklärt. Am Wochenende stimmten mehr als die Hälfte der rund 14.000 derzeit ausgesperrten VW-Arbeiter für die Absetzung der bisherigen Führung der VW-Betriebsgewerkschaft unter dem Vorsitzenden Gaspar Bureno Aguirre, weil er mit dem Management unter einer Decke stecke. Andererseits setzte sich am Montag das VW-Management vor dem mexikanischen Arbeitsgericht durch: Das Gericht erklärte die Kündigung des Manteltarifvertrages mit der VW-Betriebsgewerkschaft für rechtens, die einer Aufhebung sämtlicher Einzelarbeitsverträge der VW-Arbeiter gleichkommt. Noch in der gleichen Nacht verkündete der Vorstandsvorsitzende der VW-Tochtergesellschaft, Martin Josephi, auf einer Pressekonferenz in Mexiko-City, die Firma wolle den größten Teil der rund 14.000 gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten wieder einstellen, sobald der Arbeitskonflikt beendet sei.

Josephi kündigte an, das Unternehmen werde nur mit der legal anerkannten Gewerkschaftsführung über einen neuen Manteltarifvertrag verhandeln. Das Urteil gebe dem VW- Management das Recht, zu eigenen Konditionen Arbeitskräfte neu einzustellen oder die alten wieder aufzunehmen. Damit ist die Strategie des Managements aufgegangen, sich mit der Massenkündigung des aufsässigen Teils der Belegschaft zu entledigen. Ob sich das Management aber mit dieser Radikalstrategie durchsetzen kann, ist trotz des Arbeitsgerichtsurteils zweifelhaft. Der Arbeitskampf hat in der Belegschaft polarisierend gewirkt und der im Herbst letzten Jahres nur mit knapper Mehrheit gewählten Gewerkschaftsführung die Basis entzogen. Mehr als 7.000 Arbeiter stimmten auf einer Generalversammlung der VW-Arbeiter dafür, Gaspar Bueno Aguirre und seine Mannen abzusetzen, die bislang vom Management als einzig legitime Belegschaftsvertreter anerkannt wurden. Eine neue Gewerkschaftsführung ist noch nicht gewählt, aber sie wird zweifellos von der Opposition gestellt werden. So wird das VW-Management kaum umhin können, den Lohnabschluß von Anfang Juli mit seinen mäßigen 15 Prozent noch einmal zur Disposition zu stellen. Auch im Konflikt um die Einführung von Gruppenarbeit wird das Management die in der Belegschaft vorhandenen Befürchtungen ernster nehmen müssen als bisher. Sie zielt vor allem darauf ab, bisherige gewerkschaftliche Kompetenzen auf sogenannte Gruppenchefs zu übertragen. Schließlich wird es einen massiven Konflikt um die Wiedereinstellung der gefeuerten Belegschaft geben. Die neue Gewerkschaftsführung wird es kaum hinnehmen können, daß das VW-Management, wie angekündigt, ausgerechnet die oppositionelle Basis vor dem Werkstor stehen läßt.