Kompetenzwirrwarr, mangelnde Koordination und kaum Interesse

■ Nach Überprüfung des deutschen Engagements in Simbabwe kommt der Bundesrechnungshof zum Ergebnis, daß es bei der Entwicklungspolitik drunter und drüber geht

Der Koordinator der Deutschen Welthungerhilfe für das südliche Afrika, Gerhard Schmalbruch, klagte: „Wir fanden kein Gehör.“ Schon im Dezember 1991 hatte die Organisation auf die absehbare Dürrekatastrophe in zehn Staaten des südlichen Afrika hingewiesen. Doch erst Ende August bis Anfang September dieses Jahres wird das Hilfswerk die ersten Nahrungsmittel an hungernde Kleinbauern in Mosambik verteilen können. Der Grund: Die deutsche Bundesregierung mußte erst den Nachtragshaushalt fertigstellen, bevor Mittel für eilige Nothilfe im Süden Afrikas bereitgestellt werden konnte. Bernd Hoffmann, der Geschäftsführer der Deutschen Welthungerhilfe, bedauert: „Mitte der achtziger Jahre, bei der Hungerkatastrophe in Äthiopien, funktionierte das Frühwarnsystem nicht. Diesmal funktionierte das Frühwarnsystem, aber die Nachfolgeaktionen klappen nicht.“

Etwa 11,5 Millionen Tonnen Getreide werden benötigt, um rund 20 Millionen Menschen zu helfen, deren Ernte wegen der Dürre ausfiel. Bisher aber tröpfelt die Hilfe für die Region nur. Ein Grund mag darin liegen, daß Anlaß zur Eile erst gesehen wird, wenn das Fernsehen wieder Bilder von Menschen zeigt, die bis auf die Knochen abgemagert sind. Aber während deutsche Politiker behaupten, das verstärkte Engagement für Osteuropa gehe nicht auf Kosten der Dritten Welt, hat Schmalbruch in der Praxis andere Erfahrungen gesammelt: „Die Prioritäten sind andere.“ Schon im März waren deswegen die Gelder für Nahrungsmittelnothilfe weitgehend ausgeschöpft.

Koordinationsprobleme vor Ort lassen Bonn kalt

Das Schneckentempo deutscher Behörden unterscheidet sich zwar keineswegs von dem der gesamten internationalen Hilfe. Aber laut einem vertraulichen Bericht des Bundesrechnungshofes vom 6. April 92 geht es bei der deutschen Entwicklungshilfe schlechthin drunter und drüber. Zu diesem Ergebnis kam die Behörde nach einer Prüfung am Beispiel Simbabwe — ein Jahr, nachdem das Land von BMZ-Minister Carl- Dieter Spranger besucht worden war.

Der Bundesrechnungshof moniert Kompetenzwirrwarr, mangelnde Koordination und fehlendes Interesse in Bonn. So sollte die Deutsche Botschaft vor Ort bei der Erstellung eines entwicklungspolitischen Länderkonzeptes mit eingeschaltet werden. Der Bundesrechnungshof fand in Simbabwe heraus: „Eine Beteiligung erfolgte nicht.“ Der Bundesrechnungshof kritisierte zudem, daß „Fachaufsicht und Weisungsbefugnis der verantwortlichen Stellen“ nicht funktionieren. Ein Grund: Der für die Entwicklungshilfe zuständige Diplomat vor Ort schickt seine Berichte an das Auswärtige Amt. Das BMZ, das die Konsequenzen aus diesen Informationen ziehen müßte, erhält eine Kopie — und fühlte sich anschließend im Fall Simbabwe offensichtlich nicht zuständig.

So lieferte die Deutsche Botschaft vorschriftsgemäß in den Jahren 1987, 1989 und 1991 die verlangten Zwei-Jahres-Berichte in der Heimat ab. Der Rechnungshof in seinem Prüfungsbericht: „Nach unseren Feststellungen wurden sie jedoch vom Auswärtigen Amt und vom BMZ nur zur Kenntnis genommen.“ Dabei sprachen diese Berichte laut Bundesrechnungshof eine Liste wichtiger Probleme an. So wurde um eine Klärung gebeten, welche Anforderungen an deutsche Kurzzeitexperten zu stellen seien, und ob es nicht besser wäre, lokale Fachkräfte vor Ort zu beauftragen.

Ungeklärt ist bis heute auch, warum die „Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“ (GTZ) in Simbabwes Hauptstadt Harare beim Gesundheitsministerium ein teures Fernseh- und Rundfunkstudio einrichtete, ohne vorher den Bedarf zu prüfen. Jetzt fehlt Fachpersonal, und das Studio wird nicht genutzt — eine typische Entwicklungsruine. Das BMZ kümmerte sich im Fall Simbabwe trotz Anfrage auch nicht um die Abstimmung von Gesundheitsprogrammen zwischen der GTZ und dem Deutschen Entwicklungsdienst (DED). Ein weiteres schwieriges Thema, die Zusammenarbeit zwischen Botschaft und GTZ vor Ort, ließ die Bonner Bürokraten ebenfalls kalt.

Dabei gibt es gerade bei den Aktivitäten der GTZ im südlichen Afrika eine Reihe von Problemen. Laut geltenden Richtlinien etwa muß der GTZ-Leiter seine Tätigkeiten mit der Botschaft abstimmen. Dies gelte, so der Bundesrechnungshof, insbesondere für „Kontakte zu Vertretern des Gastlandes mit politischer Auswirkung“. Die Praxis sieht dagegen anders aus. In Sambia etwa spielten enge Kontakte zur GTZ eine Schlüsselrolle bei der Ernennung von Provinzgouverneuren durch die dortige Regierung. Und der GTZ-Verteter in der Stadt Chimoio in Mosambik läuft bei der Deutschen Botschaft in der Hauptstadt Maputo unter dem Spitznamen „Provinzfürst“, weil er als eine der entscheidenden politischen Figuren in der Region gilt.

Wird Südafrika Entwicklungsland?

Der Bundesrechnungshof fand auch heraus, daß die GTZ laut Richtlinien ihre zentralen Büros eigentlich in Gebäuden der Botschaften einrichten sollte. Von 45 bestehenden Außenstellen befinden sich aber nur die vier GTZ-Büros in Brasilien, Burkina Faso, Niger und Pakistan unter gemeinsamem Dach mit den Diplomaten. Bei der Kritik durch den Rechnungshof spielt offenbar die Überlegung eine Rolle, daß teure Mieten eingespart werden könnten.

Der Bundesrechnungshof, der zuvor auch die Entwicklungshilfe in Indonesien unter die Lupe genommen hatte, glaubt aus der Untersuchung der Aktivitäten dort und in Simbabwe Rückschlüsse auf die gesamte Entwicklungspolitik ziehen zu können. Tatsächlich sorgt die bestehende Situation für Verwirrung. So erhält das BMZ von den Kirchen lediglich eine EDV-Liste über Projekte und finanziellen Aufwand. Über den Inhalt dieser Projekte informieren die Kirchen dagegen nicht. Eine sinnvolle Koordinierung der Entwicklungspolitik, wie sie laut Gesetzgebung verlangt wird, ist dadurch schlechterdings unmöglich.

Ein Grund für viele Reibungsverluste sind zudem unklare Kompetenzgrenzen. Ein Beispiel ist Südafrika. Die Diplomaten des Auswärtigen Amtes beharren darauf, daß es sich beim Burenstaat nicht um ein Entwicklungsland handele. Andererseits aber werden Mittel beim BMZ abgeschöpft, um Entwicklungshilfe leisten zu können. Gleichzeitig existiert ein Finanzposten zur Bekämfung der Apartheid am Kap, der vom Auswärtigen Amt verwaltet wird. BMZ-Minister Carl-Dieter Spranger wird Ende Oktober Südafrika besuchen. Ob die Visite allerdings Südafrikas Umbenennung in ein Entwicklungsland mit sich bringt, ist derzeit unklar. Willi Germund, Johannesburg