Wer wird Kulturdezernent?

■ BHV: Rot-grüne Koalition kann sich zwischen zwei Kandidaten nicht entscheiden

„Während der Vorstellung bitte nicht Bockwurst und Bier holen“, mahnte der Bremerhavener SPD- Vorsitzende Siegfried Breuer und meinte nicht nur seine GenossInnen, sondern auch die Mitglieder der Grünen, die sich am Dienstagabend zur gemeinsamen Sitzung versammelt hatten, um zwei BewerberInnen für das seit einem Jahr verwaiste Kultur- und Schuldezernat anzuhören.

Die Hoffnung, sich danach auf einen rot-grünen Vorschlag für die auf der nächsten Stadtverordnetenversammlung anstehende Dezernentenwahl einigen zu können, erfüllte sich aber nicht: In getrennten Abstimmungen votierten die Sozialdemokraten mit 91 gegen 18 Stimmen für den Nürnberger Wolfgang Weiß, Leiter eines Lehrerfortbildungsinstituts, die Grünen aber - mit 15 gegen 2 Stimmen — für die Bremer Ausstellungsmacherin Barbara Alms.

Die 47jährige hat nach mehrjährigem Schuldienst in Nordrhein-Westfalen (Fächer: Deutsch, Philosophie, Kunst) in Bremen den Kulturladen Walle mit aus der Taufe gehoben, als Lektorin gearbeitet und die literarische Lesereihe des Bildungssenators betreut. Heute leitet sie die städtische Galerie in Delmenhorst. Vor den rot-grünen Parteimitgliedern empfahl sie sich vor allem als Expertin für Kunst und Kultur. Zur besseren Verständigung mit Institutionen und Initiativen schlägt sie eine ständige „Kulturkonferenz“ vor. Es gelte, „alle Kräfte der Kultur zu bündeln“ und insbesondere die Konzeption des Grothe-Museums für zeitgenössische Kunst „sorgfältig zu überdenken“, das auf der Geeste-Halbinsel in einen Zusammenhang von Natur, Kunst und Geschichte integriert werden müsse.

„Ich bin zwar parteilos, erlaube mir aber, Partei für die Kinder zu ergreifen“, so stellt sich der fünffache Vater Wolfgang Weiß vor. Der 45jährige Soziologe ist zur Zeit einer von zwölf „Kulturdirektoren“ der Stadt Nürnberg. Er war Mitarbeiter Hermann Glasers, hat das Ausstellungskonzept auf dem Reichsparteitagsgelände mit entworfen („Faszination und Gewalt“) und leitet seit 10 Jahren das städtische Lehrerfortbildungsinstitut.

Der Strukturkrise in Bremerhaven will er mit Tourismus-Förderung begegnen. Ein Kulturstadtplan samt entsprechendem Verkehrsleitsystem soll die zur „Kulturmeile“ vernetzten Angebote touristisch besser erschließen. Die überregionale Ausstrahlung des Theaters soll durch „Umstellung im Gastspielbetrieb“ gefördert werden. Sein Schwerpunkt aber, sagt Weiß, liege im soziokulturellen und im Szene-Bereich. Er spricht von einer Erhöhung des Kultur-Etats von 3,5 auf 6 Prozent, er fordert die Absicherung des Kommunikationszentrums „RoterSand“, ein Musikhaus für Rockgruppen, Medieninitiativen zur Herstellung von Video-Clips und überhaupt eine pädagogische Vermittlung von Hoch-und Breitenkultur: „200 Schulklassen können Sie auch nicht einfach vor einen Anselm Kiefer stellen und sagen: Schaut mal!“ Er kündigt einen Runden Tisch an und verspricht am Ende: „Wenn Sie interessante Kulturpolitik wollen, dann stellen Sie sich darauf ein, daß Konflikte kommen!“

Der erste Konlfikt kam prompt nach der dreistündigen Anhörung. Weil Sozialdemokraten und Grüne sich nicht einig wurden, wer am besten sei, vertagten sie ihre Entscheidung. Heute abend muß eine zehnköpfige Kommission einen Ausweg finden. Hans Happel