„Lieber Kuba bombardieren“

Das Feindbild Saddam Hussein fehlt auf dem Parteitag der US-Republikaner  ■ Aus Houston Andrea Böhm

Prügelknaben gibt es zur Genüge auf dem Parteitag der Republikaner. Man beschimpft Bill Clinton und Al Gore, man macht sich lustig über schwule Redner auf dem demokratischen Parteitag im Juli — und ab und an schwenkt einer bei der Cocktailparty die Faust gegen Fidel Castro. Doch kaum einer nimmt in der Galerie der Feindbilder von Saddam Hussein Notiz. Das kann sich am heutigen letzten Abend ändern, wenn George Bush seine Rede hält und die Anhängerschaft auf einen neuen Einsatz US-amerikanischer Militärs gegen „Säädäm“ und zum Schutz der schiitischen Bevölkerung einstimmt. Bisher löst der Name der Schutzbedürftigen bei den Delegierten eher Ratlosigkeit aus.

„Schiiten?“ fragt Paul Gremer aus Florida. Nein, von denen habe er noch nie etwas gehört. An die Geschichte mit den Kurden im letzten Jahr kann er sich noch erinnern. „Über die hat man viel im Fernsehen gesehen.“ Trotzdem ist der pensionierte Major überzeugt, daß Saddam Hussein wieder eine Strafaktion verdient. Daß sich die neuerliche Konfrontation mit Bagdad just in der Endphase des US-Wahlkampfs anbahnt, hält Gremer für reinen Zufall. „George Bush tut so etwas nicht, um Stimmen zu fangen.“ Und wenn ein paar Stimmen am Wahltag dabei herausspringen, was soll's, meint Anita Whitney, Sachbearbeiterin einer Elektronikfirma in Houston. Ihre Affinität für George Bush ist allen Meinungsumfragen zum Trotz ungebrochen. „Der Präsident ist ein sehr geduldiger Mann — aber die Iraker lassen es wirklich darauf ankommen. Das ist eben ein anderer Menschenschlag. Die kennen nur Krieg und Kampf — und Sterben hat für die eine andere Bedeutung.“ Den Amerikanern hingegen fehle der Killerinstinkt, „sonst hätten wir die Sache gleich beim ersten Mal zu Ende gebracht“. Von den Schiiten hat sie in der Zeitung gelesen. „Die tun mir leid; die gehen wirklich durch die Hölle.“

Skeptischere Stimmen werden im Medienpavillon neben der Parteitagshalle laut. Hier sitzen nicht nur die großen TV-Gesellschaften, sondern auch die Korrespondenten der kleineren amerikanischen Zeitungen — von Hartford, Connecticut, bis Omaha, Nebraska. Steve Burn von der Arizona Republic, einer Zeitung mit einer Auflage von 600.000 im Südwesten der USA, hält die Irak-Politik der Bush-Administration für taktisch geschickt. „Innenpolitisch ist für Bush nichts zu holen — und er weiß genau, daß sich die Amerikaner in Kriegszeiten um ihren Präsidenten scharen.“ Es werde zwar im Fall eines militärischen Einsatzes im Irak keine patriotische Welle wie im Golfkrieg geben, „aber ein paar Fahnen werden sie zu Hause schon schwenken“. Auch seine Leser? „Auch meine Leser.“

Harsche Kritik an der Irak-Politik der Bush-Administration findet man, wenn überhaupt, nur in der ganz rechten Ecke. Ted Maravelias aus Massachusetts kandidiert für einen Sitz im Abgeordnetenhaus seines Bundesstaates und ist als Delegierter für den erzkonservativen Bush-Konkurrenten Pat Buchanan nach Houston gekommen. Aus seiner Abneigung gegen den Präsidenten macht der 23jährige in Schlips und Cowboyhut keinen Hehl. „Bush ist ein opportunistischer Liberaler ohne jedes Gewissen.“ Der Konflikt mit dem Irak sei von Anfang inszeniert worden, um die Wiederwahl zu garantieren. Es ist weniger die Friedensliebe, die Maravelias so schimpfen läßt, als der für Buchanan-Anhänger so typische Isolationismus. „America First“, heißt die Devise. „Und im Golfkrieg hat George Bush die Interessen unserer Nation einer so antiamerikanischen Organisation wie der UNO unterstellt.“ Nach seiner Auffassung sollte sich amerikanische Außenpolitik auf die unmittelbare Nachbarschaft beschränken. „Wenn, dann soll er Kuba bombardieren. Aber im Irak haben wir gar nichts verloren.“ Sprach's und vertiefte sich wieder in die Lektüre der Financial Times. Beim Stichwort „Schiiten“ blickt er noch einmal hoch. „Schiiten? Ich dachte, es geht da unten um die Kurden.“