MIT EUROPAS STAATSKONZERNEN AUF DU UND DU: Die Guten ins Töpfchen
■ Industriegigant Ini spiegelt Spaniens Strukturkrise wider
Madrid (taz) — In Spaniens Staatskasse herrscht Ebbe. Jahrlang hatten die neu formierten Mittelschichten mit ihrem exzessiven Konsumboom immer mehr Gefallen am Schuldenmachen gefunden und zu guter letzt eine „gran fiesta“ draufgesetzt. Weltausstellung in Sevilla, Kulturspektakel in Madrid, olympischer Zauber in Barcelona und Kolumbus-Feiern — Espania 1992, so ihre Vision, sollte sich auch als moderner Industriestaat präsentieren. Doch kaum ist das Peseten-Feuerwerk abgebrannt, sieht sich das Land wieder mit den gewaltigen Strukturproblemen und einem horrenden Staatsdefizit konfrontiert.
Nun soll die Privatisierung des staatlichen Industriegiganten Ini wieder etwas Kleingeld in die gähnend leeren Kassen bringen. Schließlich kostet die 56 Konzerne umfassende Instituto National de Industria, die 1941 von General Franco ins Leben gerufen wurde, die spanischen Steuerzahler jährlich mehr als eine Milliarde Mark. Horrende Subventionen und spärliche Gewinne haben das ramponierte Unternehmen zu einem hoffnungslosen Fall gemacht. Bereits im Frühjahr stellte die spanische Regierung die Weichen für die Zerschlagung der Staatsholding — und zog die wütenden Proteste von Arbeitgebern und Gewerkschaften auf sich. Diese wollten, diesmal einträchtig als Wahrer nationaler Interessen auftretend, ihren Einfluß nicht verlieren.
Die Industriegruppe, so der Plan des Sozialisten Gonzales, soll auf 13 Unternehmen zusammenschrumpfen. Nach dem Motto „die Guten ins Töpfchen“ wurde die Ini in zwei Konzerne, Inisa und Inise, aufgespalten. In der einen werden die rentablen und zukunftsträchtigen Konzerne wie der Energiegigant Endesa, der Flugzeugbauer Casa oder der Mega-Carrier Iberia gesammelt, in die andere die auf lange Sicht todgeweihten Montanindustrie-Gruppen aussortiert. Und während die Perlen mit neuen Kapital- und Technologiespritzen flottgemacht und anschließend meistbietend verkauft werden sollen, hat die Regierung den notleidenden Kohle- und Stahlriesen Hunosa, Santa Barbara oder Ensidesa eine gnadenlose Schrumpfkur mit dem kurzfristigen Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen verordnet — ein Plan, den die Gewerkschaften mit Streiks in den Revieren von Asturien beantworteten.
Dennoch scheint es zu dem radikalen Schnitt bei der Ini keine Alternative zu geben. Jahrelang hatte die Staatsholding defizitäre Industrieunternehmen zur Rettung von Arbeitsplätzen unter ihre Fittiche genommen und über Subventionen am Leben gehalten. Die politisch zweifelsohne unbequeme Sanierung wurde immer wieder hinausgeschoben — und mit ihr der notwendige Strukturwandel allzu lange blockiert. Dabei sind die Ausgangspositionen der spanischen Wirtschaft für den EG-Binnenmarkt ohnehin nicht erfolgversprechend: Von 40 Sektoren, so eine EG-Studie, seien nur 15 konkurrenzfähig — darunter Autos, Schiffe, Textilien und Haushaltsgeräte. Auf die großen Industriezweige, den Maschinenbau, die Stahlbranche oder die Chemieindustrie, warten indes harte Zeiten. Und selbst den als robust geltenden Sparten droht, durch stagnierende Nachfrage und die Billigkonkurrenz aus Fernost vom Markt gefegt zu werden. Erwin Single
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