ÖTV will Kranich aufhelfen

Frankfurt (AP/dpa) — Für die Sanierung der Lufthansa ist die Gewerkschaft ÖTV auch zu offenbar deutlichen Abstrichen bereit. Wie aus einem am Mittwoch in Hamburg bekanntgewordenen Papier hervorgeht, will sie wie die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft über eine Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall verhandeln. „Wenn nichts passiert, steht die Existenz des Unternehmens auf dem Spiel“, hieß es. Zu Wochenbeginn hatte die DAG bereits angeboten, auf Gehalt zu verzichten und längere Arbeitszeiten in Kauf zu nehmen.

Die DAG will ihr Angebot aber auf keinen Fall auf andere Branchen übertragen wissen. Auch SPD- und CDU-Politiker sprachen sich dagegen aus, Lohnkürzungen als Modell zur Bekämpfung von Wirtschaftskrisen zu sehen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Roth sagte der Hamburger Morgenpost: „Wenn dieses Beispiel Schule machen würde, hätten wir auf der Nachfrageseite eine tiefe Rezession organisiert.“ Im Fall der Lufthansa sei ein Lohnverzicht aber vielleicht diskutabel. Der geschäftsführende Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, Heinz-Adolf Hörsken, sagte im Saarländischen Rundfunk, die DAG-Vorschläge hätten keine Pilotfunktion. Man müsse aber auch das verantwortungsvolle Handeln der Gewerkschaft anerkennen.

Debatte um flexible Arbeitszeit

Mit der Forderung nach Rückkehr zur 40-Stunden-Woche und freiwilliger Mehrarbeit haben führende Wirtschaftsvertreter die Diskussion um längere Arbeitszeiten in Deutschland angeheizt. Gewerkschaften sprachen von einer Kampagne der Arbeitgeber, die kläglich scheitern werde. Angesichts der Massenarbeitslosigkeit müsse sogar über eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit nachgedacht werden. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), Hans-Peter Stihl, nannte die Wiedereinführung von 40 Arbeitsstunden pro Woche mehr als wünschenswert. Unabdingbar sei die Verlängerung der Lebensarbeitszeit. „Rente unter 60 — das muß passé sein, sonst wird Deutschland im internationalen Wettbewerb in Rente geschickt“. Arbeitgeberpräsident Klaus Murmann plädierte am Mittwoch in Köln für flexiblere Arbeitszeiten: „Die schematische Verkürzung der Arbeitszeit hat sich als Irrweg erwiesen.“ Er habe nichts dagegen, betonte Murmann, wenn jemand nur 36 Stunden oder weniger in der Woche arbeite. Allerdings müßten die Tarifverträge auch zulassen, daß einzelne Arbeitnehmer länger arbeiteten.

Bei den Gewerkschaften stießen die Stihl-Vorschläge auf kompromißlose Ablehnung. Die Zahl der Arbeitslosen in Ost- und Westdeutschland habe die Drei-Millionen-Grenze überschritten, sagte der IG-Medien-Vize Detlef Hensche am Mittwoch in Stuttgart. In einer solchen Situation sei es wirtschaftspolitisch abwegig und sozialpolitisch unverantwortlich, denen, die Arbeit haben, längere Arbeitszeiten zu verordnen. Die stellvertretende ÖTV- Vorsitzende Jutta Schmidt meinte, der Vorstoß des DIHT-Präsidenten sei „fern jeder wirtschafts- und sozialpolitischer Logik“.