Hemdsärmelige Aktion

■ Sprecher der Ärzteopposition zur Roten Karte

Hemdsärmelige Aktion Sprecher der Ärzteopposition zur Roten Karte

taz: Die Hamburger Ärzteopposition bezeichnet die Aktion „rote Karte“ als hemdsärmelig. Warum?

Bernd Kalvelage: Wir finden, daß damit das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient mißbraucht wird. Hier werden die Kranken vor den Karren der Ärzte gespannt und darüber hinaus mit falschen Informationen Ängste geschürt. Es stimmt nicht, daß künftig notwendige Medikamente nicht mehr verschrieben werden können, weil sie zu teuer sind. Jedem, dem das erzählt wird, würde ich raten, den Arzt zu wechseln.

taz: Sie kritisieren aber auch Seehofers geplante Reform.

Kalvelage: Ja, sie läßt die jetzigen Strukturen unangetastet. Wie das System der Einzelleistungsvergütung: Ein Arzt, der viel verschreibt, verdient viel — wer sich auf das Nötigste beschränkt oder stärker auf psycho-soziale Betreuung setzt, verdient wenig. Kritisch sehen wir auch die verstärkte Kostenbeteiligung der Patienten. Die pharmazeutische Industrie läßt man dagegen in Ruhe. Statt der Beschränkung des Medikamentenbudgets brauchen wir eine Liste mit notwendigen, wirksamen und kostengünstigen Arzneien.

taz: Wo liegen die Grundübel in der jetzigen Gesundheitspolitik?

Kalvelage: Durch das bestehende Vergütungssystem im ambulanten Bereich werden Ärzte in die Rolle von Unternehmern gezwungen, um ihr Einkommen zu sichern. Allgemeinärzte oder Kinderärzte in unterprivilegierten Stadtteilen haben es da sehr schwer.

taz: Was würde die Hamburger Ärzteopposition ändern?

Kalvelage: Wir wollen, daß durch die Abschaffung der Einzelleistungsvergütungen die Einkommen der Ärzte einander angeglichen werden. Für einige, die jetzt die Basisversorgung sichern, würde ein Nettomonatseinkommen von etwa 10000 Mark eine Lohnerhöhung bedeuten, Laborärzte würden das aber sicher als „Sozialismus“ beschimpfen. Ein Genossenschaftsmodell müßte dann dazu beitragen, daß Investitionen für medizinische Geräte durch Großbestellungen reduziert werden könnten. Fragen: Sannah Koch