■ Urdrüs wahre Kolumne
: Komm, Bianca, laß uns schmauchen

In einem Waller Secondhand-Shop erwarb ich gestern eine kinesisch aufgemachte linierte Kladde, um damit das schwächer werdende Kurzzeitgedächtnis zu stützen. Der wohlfeile Preis von 5O Pfennig ergab sich, weil rund 6O Seiten bereits mit handschriftlichen Notizen versehen waren — Tagebucheintragungen einer Bianca aus Horn. Festgehalten ist die Zeit von Dezember 87 bis Dezember 88 in relativer Ausführlichkeit. Inhaltlich bewegt sich alles im Dunstkreis von Modernes, Lehmanns, Cafe Goedecke und Shave, gelegentliche Abstecher nach Berlin inklusive. Einzelheiten werden hier aus Gründen der Diskretion nicht dargelegt — Stichworte wie Arne, Thomas, Tanja Sibylle und vor allem JOY DIVISION mögen aber den Eingeweihten zur Identifizierung ausreichen. Herzliche Bitte: Ich würde zu gern wissen, wie die lebenspralle Story weiterging, die da am 27. Dezember 1988 mit dem philosophisch klaren Satz „Es ist alles zum Kotzen“ vorläufig abgeschlossen wurde. Erfolgreiche Hinweise werden mit einem üppigen Mahl mit anschließendem Verdauungs-Pfeifchen belohnt. Das Leben, es muß doch irgendwie weitergehen!

Nach Ermittlungen der Meinungsforscher von GALLUP wünschen russische Fernsehzuschauer nichts sehnlicher zur Ergänzung ihrer Fernsehprogramme als Werbung. Sie werden lange warten müssen, denn Markenartikler wissen: Einem Nackten ist schlecht in die Tasche zu greifen.

Vor Wochen outeten wir an dieser Stelle bereits die freundliche Salmonelle als Freundin der Friedensbewegung, nachdem sie einige hundert Soldaten schachmatt gesetzt hatte. Jetzt zwangen südoldenburgische Landeier mit Salmonellen-Biotop 6O Soldaten eines Bataillons in Leer auf den Topf, und auch für hundert Jungs beim Bund in Oldenburg galt der Entsorgungs-Appell Hosen runter! Welches freundliche Reisebüro spendiert den Salmonellen einen Freiflug nach Sarajewo?

Bemerkenswertes über das Ethos der Bildjournalisten im Umgang mit Personen der Zeitgeschichte äußerte Dr. Dieter Klink aus Betroffenensicht bei der Eröffnung einer Foto-Ausstellung: „Insbesondere die Schnelligkeit der Blitzaufnahmen schafft Möglichkeiten des Mißbrauchs durch Zwischenzeiten...Der Augenlidaufschlag des Einzelnen kann dann auch so dargestellt werden, als würde der Fotografierte gerade schlafen.“ Der Präsident schläft nie!

Die Debatte um Politikergehälter hat auch dann etwas Langweiliges, wenn sie in der TAZ geführt wird. Festhalten möchte ich aber dennoch als Dreistigkeit der Woche, daß ausgerechnet Uwe Beckmeyer als der authentische Hein Mück seine Mücken ins Verhältnis zu Geschäftsführern der freien Wirtschaft setzt und zu seinem SenatorInnen-Gehalt meint: „Man kann da einigermaßen von leben, und ich will ja nicht klagen: Aber von der Verantwortung her müßte es mehr sein.“ Und das von einem Mann, der wegen mangelnder Qualifikation seinen Job als Fischstäbchen-Tester in Bremerhaven verlor — ja kennt die Schamlosigkeit denn keine Grenzen mehr?

Kleinkariert die Kritik daran, daß Bürgermeister Klaus W. seinen Stadtwerke-Strom als Aufsichtsratsvorsitzender jahrelang zum halben Preis bezog: Alle reden vom Energiesparen — und der Mann macht ernst! Ulrich Reineking-Drügemöller