Ackerstraße 18 wird an Besetzer verkauft

■ Alteigentümerin unterzeichnete Vertrag und trat dem neuem Hausverein bei/ Kneipe und Galerie sollen ausgebaut werden

Mitte. Neu auftauchende Hauseigentümer sind für viele Mieter, vor allem im Ostteil, ein rotes Tuch. Angst vor Rausschmiß oder zumindest saftigen Mieterhöhungen lassen Bewohner schon beim Gerücht über einen Restitutionsanspruch erschauern. Wie »normale« Mieter fürchten auch viele der einst illegalen, nun per Nutzungs- oder Mietvertrag legalisierten Besetzer um »ihre« Häuser. Das Bild vom profitorientierten und besetzerfeindlichen Hausbesitzer wird aber jetzt erschüttert.

Bei drei der 20 durch die treuhänderische Sanierungsgesellschaft des Landes Berlin, L.I.S.T., betreuten Häuser im Ostteil der Stadt laufen derzeit Verhandlungen zum Verkauf an die Besetzer oder über eine Beteiligung des Alteigentümers an der Sanierung. Jüngst machte erst das Haus Kastanienallee 77 in Prenzlauer Berg Schlagzeilen, als sich Besetzer und Besitzer an einen Tisch setzten.

Beim Hausverein Ackerstraße 18 in Mitte ist der Verkauf schon in Sack und Tüten. Die Alteigentümerin unterzeichnete bereits den Vertrag und trat als Kick sogar dem Verein bei. Der endgültige Besitzerwechsel hängt aber noch in den Mühlen des Amtes für offene Vermögensfragen, das den Restitutionsanspruch der Frau bestätigen muß. Nach Erledigung der Formalitäten gehören dem 15köpfigen Hausverein dann Vorder- und Hinterhausflügel sowie Garagen und das Gartenhaus, das — 1756 gebaut — als ältestes Gebäude der Straße gilt. Allerdings sind alle Bauten in einem katastrophalen Zustand. Die Dielen sind durchgefault, Fenster lassen mehr Wasser herein, als sie abhalten. Die Sanierung des Komplexes wird Millionen verschlingen. Unterstützung erhalten die Ex-Besetzer zwar über Förderprogramme des Senats, eigene Knochenarbeit ist aber mehr als genug in Aussicht. Geplant ist der Ausbau der seit Anfang des Jahres geöffneten »wilden« Kneipe im Parterre und der Galerie in der ersten Etage, die mit zahlreichen Expositionen wie »Eat Art« (Eß-Kunst) bereits für Furore sorgte. Über der Galerie und im Hinterhaus werden Wohnungen eingerichtet. Im Gartenhaus sollen eine Töpferei und Vereinsräume unterkommen. Die Geschichte der Besetzung reicht bis ins Jahr 1988 zurück. Nachdem das Haus schon zwei Jahre entmietet war, nahmen sich Künstler um den seit 15 Jahren im Kiez wohnenden Heiner Behr des ruinierten Gebäudes an, um dort zu wohnen, zu arbeiten und auszustellen. Die unkonventionellen Ergebnisse paßten den DDR-Behörden ebensowenig wie die im Haus eingerichtete Druckerei, wo im Sommer 1989 Material des damals verbotenen Neuen Forums entstand. Doch die Besetzer trotzten bis zur Wende allen Vertreibungsversuchen. Ende 1989 gründete sich der Hausverein Ackerstraße 18 mit 15 Mitgliedern, fünf davon riefen zusätzlich den Galerie- Verein »Art Acker« ins Leben. Anfang 1990 schloß die damals noch zuständige Kommunale Wohnungsverwaltung (KWV) Mitte einen Mietvertrag mit dem Verein ab und sagte Mittel für die Winterfestmachung zu. Aber auch 18 Rohrbrüche in den folgenden Monaten ließen die Worte nicht zu Taten werden. Nur auf die 600 Mark Miete für das Erdgeschoß — bis zur Wende eine Abhörzentrale der Stasi — pochte die KWV in regelmäßigen Schreiben. Mitte 1991 meldete sich die Besitzerin, die das Haus vor rund zehn Jahren in die Zwangsverwaltung der KWV übergeben mußte. Aus »reiner Sympathie« für die kunstsinnigen Besetzer, so Heiner Behr, sei der Verkauf zustande gekommen. Dorit Knieling/ADN