Keine Alliierten-Wohnungen für die Berliner

■ Der Hauptstadt-Streit geht weiter: Baustaatssekretär in Bonn will die alliierten Wohnungen in Berlin leerstehen lassen, bis die Regierung umzieht/ Einflußreicher SPD-Parlamentarier plant parlamentarische Initiative, um Umzugsbeschluß zu kippen

Bonn/Berlin. Wenn die Westalliierten Berlin verlassen, werden etwa 4.000 Wohnunen frei. Doch die Wohnungssuchenden in der Stadt werden davon nicht profitieren. Der Staatssekretär im Bundesbauministerium Jürgen Echternach (CDU) erteilte nun den Plänen des Senats eine Absage, diese Villen und Häuser an Berliner zu vermieten und im Gegenzug für die Regierungsbediensteten neue Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Echternach will die alliierten Quartiere in Bundesbesitz und Nutzung belassen, da sich hier vor allem die Möglichkeit der baulichen Verdichtung biete. Auch an einer zwischenzeitlichen Vermietung bis zum Regierungsumzug ist die Bundesregierung nicht interessiert, da die Mieter dann »praktisch unkündbar« seien. Deshalb sollen nach Echternachs Willen die Wohnungen für die Bundesbediensteten generell erst fertiggestellt werden, wenn sie auch von diesen genutzt werden.

Auf dem Gelände des Moabiter Werders, wo für sie ein Wohnpark entstehen soll, rechnet er erst zum Sommer 1994 mit einem Baubeginn, vorher müßten die dort noch stehenden Gebäude abgerissen und Altlasten beseitigt werden. Nicht nur die Wohn-, sondern auch die Regierungsunterkünfte scheinen zwischen den Bonner und Berliner Verantwortlichen noch strittig. Während Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer verkündete, daß vier klassische Ministerien auf der Spreeinsel angesiedelt werden, ist Echternach von dieser Zahl »wieder weg«. Für ihn sind auch lediglich zwei Ministerien an diesem Standort denkbar. Unklar sei auch noch das zukünftige Domizil des Außenministeriums. Minister Klaus Kinkel (FDP) favorisiert die Ministergärten, stößt damit jedoch auf die Vorbehalte des Bundestages und des Senats. Eine endgültige Klärung soll bis zum städtebaulichen Wettbewerb zur Spreeinsel erfolgen, der nach Abschluß des Wettbewerbes um den Spreebogen ausgeschrieben werden soll.

Allerdings könnte bis dahin die Planung noch einmal völlig umgestoßen werden. Denn der Obmann der SPD in der Baukommission des Parlaments, Franz Müntefering, will im Herbst eine parlamentarische Initiative ergreifen, das vor der Sommerpause beschlossene Umzugsmodell der Bundesregierung zu kippen. Diese hatte sich im Juni darauf verständigt, zehn Ministerien in Bonn zu belassen, die lediglich Kopfstellen in Berlin einrichten. Eine solche Aufteilung zwischen der alten und neuen Hauptstadt hält Müntefering für unsinnig, weil dadurch ein Sog nach Berlin entstehe. Und das, weiß der Vorsitzende der Baukommission, Dietmar Kansy (CDU), fördert »die Angst der Region Bonn auszubluten«. Angesichts des »nicht unerheblichen Widerstandes in Bonn« schlängt Müntefering vor, von allen Ministerien lediglich die Spitze und etwa ein Drittel der Bürokratie nach Berlin zu verlagern und den überwiegenden Teil in Bonn zu belassen. Er sieht »eine große Gruppe« in seiner Fraktion, die diesen Vorstoß unterstützen würde. Müntefering zählt als Vorsitzender des mitgliederstarken SPD-Bezirkes westliches Westfalen zu den einflußreichsten Abgeordneten in Bonn. Dieter Rulff