Cap Anamur gestoppt

■ Cap-Anamur-Flüchtlinge werden nach Deutschland eingeflogen/ Behörden lehnen Weiterfahrt per Schiff ab

Berlin (AFP/AP/dpa/taz) — Die seit Dienstag auf einem dänischen Frachter in Lissabon festsitzenden 335 bosnischen Kriegsflüchtlinge sollten noch gestern abend nach Hamburg geflogen werden. Das teilte Christel Neudeck, Mitorganisatorin des Notärztekomitees Cap Anamur, in Bonn mit. Nachdem die dänischen Behörden die Weiterfahrt des Schiffes nach wie vor verweigerten, habe das Notärztekomitee ein Flugzeug gechartert. Der Transport mit Bussen sei den 200 Kindern und den schwangeren Frauen nicht zuzumuten, sagte Frau Neudeck. Ursprünglich hätten die Kriegsflüchtlinge am Wochenende mit dem Schiff in Bremerhaven ankommen sollen.

Die dänische Handelsmarine lehnte eine Weiterfahrt per Schiff endgültig ab. Sie könne die Verantwortung für den Transport von Passagieren auf einem Frachtschiff nicht übernehmen, der bei einem Brand oder einer Kollision erhebliche Risiken mit sich bringe, hieß es in einer Erklärung. Auch einen Vorschlag der dänischen Seemannsgewerkschaft, rund zehn Mitglieder einer Sondereinsatztruppe für Katastrophenfälle nach Lissabon zu schicken, lehnten die Behörden ab. Frau Neudeck äußerte Unverständnis, daß die Seeberufsgenossenschaften erst auf dem Rückweg des Schiffes von Split nach Hamburg ihre Sicherheitsbedenken angemeldet hätten und nicht schon bei der Abfahrt in Hamburg vor einem Monat. Außerdem hätten die Behörden in Lissabon den Zustand des Frachters „Svendborg Globe 13“ nach einer Besichtigung als „exzellent“ bezeichnet. An Bord seien genügend Schwimmwesten, Rettungsinseln und Nahrungsmittel sowie auch ein Mediziner-Team. Immerhin sei dies bereits der fünfte Personentransport dieser Art für die „Cap Anamur“.

Das Schiff war vor einer Woche aus dem kroatischen Split mit den Kriegsflüchtlingen abgefahren. Sie sollen in der Bundesrepublik auf die einzelnen Länder mit Ausnahme von Bayern verteilt werden.

Die Göttinger Gesellschaft für bedrohte Völker hat Bundesverteidigungsminister Volker Rühe und Außenminister Klaus Kinkel „unrealistische Verlautbarungen über die bosnische Tragödie“ vorgeworfen. Notwendig seien dagegen wirksame Schritte gegen die serbischen Massenvertreibungen, erklärte die Menschenrechtsorganisation am Donnerstag. Sie kritisierte auch die von Kinkel vorgeschlagene Schaffung eines internationalen Gerichtshofes. Dieses Unternehmen würde Jahre in Anspruch nehmen und für die bosnischen Opfer viel zu spät kommen, erklärte ihr Bundesvorsitzender Tilman Zülch. Kriegsverbrecher seien seit 1945 mit Ausnahme der NS-Mörder niemals verfolgt worden.

Zülch warf der Bundesregierung und Rühe weiter vor, die Türkei und Indonesien mit Waffen zu unterstützen, obwohl die türkische Regierung die Kurden brutal verfolge und die indonesische Regierung mit diesen Waffen Völkermord an den Osttimoresen und Westpapuas begehe.