Jordanien soll „jordanisiert“ werden

In Amman geht die Existenzangst um/ Palästinenserfrage und Beziehung zum Irak  ■ Aus Amman Khalil Abied

Auch politische Gegner können ihm die Anerkennung für seine politische Zähigkeit und Schläue nicht versagen. Schließlich feierte der jordanischen König Hussein in der vergangenen Woche den vierzigsten Jahrestag seiner Thronbesteigung. Viele seiner arabischen Kollegen, Präsidenten und Könige, verschwanden in dieser Zeit von der Bühne. Der 56jährige Haschmitenherrscher jedoch hielt sich allen politischen und militärischen Erdbeben in der Region ebenso wie innerhalb seines Landes zum Trotz an der Macht. Husseins Genugtuung darüber mag durch seinen schlechten Gesundheitszustand getrübt sein. Er mußte sich am Donnerstag in den USA eine Niere entfernen lassen.

Doch nicht aus diesem Grund kam zum Jahrestag in Jordanien keine rechte Feierstimmung auf. Die politische Diskussion wird nicht von der Frage einer möglichen Nachfolge auf dem Thron beherrscht — ein Rivale ist nicht in Sicht. Die Probleme des Landes seien viel existentieller, meint ein jordanischer Politiker, der darum bat, seinen Namen nicht zu nennen. „Für uns geht es jetzt um Sein oder Nichtsein.“

Zwei Fragen sind es, die die politischen Kreise in dem kleinen arabischen Land so sorgenvoll in die Zukunft blicken lassen: Wie wird der laufende Nahost-Friedensprozeß das palästinensische Problem lösen? Und wie wird sich die Situation beim großen Nachbarn Irak entwickeln?

Fast zwei Drittel der 3,5 Millionen Einwohner Jordaniens sind PalästinenserInnen. „Wenn man den Palästinensern in den besetzten Gebieten die Autonomie anbietet, was wird dann mit den palästinensischen Flüchtlingen geschehen?“ fragt der jordanische Politiker. Die gefürchtete Antwort läßt sich in einem Wort zusammenfassen: Ansiedlung. „Das wird mit der Zeit zur Palästinensierung des Landes führen“, fährt er fort, „und deshalb setzen viele jordanische Politiker den Palast unter Druck. Er soll dieser Gefahr beizeiten durch die ,Jordanisierung‘ des Staates begegnen.“

Dieser Jordanisierungsprozeß hat bereits begonnen, heißt es in Amman. Der König hat in den vergangenen Wochen mehrere hohe Ämter, wie den des Leiters der Informationsabteilung des Palastes und einige Botschaftsposten, mit Jordaniern aus den wichtigen Beduinen-Clans und einflußreichen Familien besetzt. Andere zuverlässige Kreise sprechen von Instruktionen des Ministerpräsidenten, wonach alle Ministerien und staatliche Institutionen den Anteil jordanischer Beamter erhöhen sollen. Bislang stellen die Palästinenser die Mehrheit im Verwaltungsapparat und halten einige hohe politische Positionen inne.

Diese Politik wirke sich auch schon im Bildungswesen aus, erzählt ein palästinensischer Intellektueller. Vor allem private Hochschulen, aber auch staatliche Institutionen akzeptierten jetzt vorrangig jordanische StudentInnen und stellten JordanierInnen ein, auch wenn ihre palästinensischen Mitbewerber höher qualifiziert sind. „Wir investieren unser Geld in diesem Lande, wir entwickeln seine Wirtschaft, und trotzdem besetzen die Jordanier die wichtigen Posten und haben die Entscheidungsmacht,“ meint er bitter.

Für den Politiker ist eben dies das Dilemma: „Wenn wir den Palästinensern wichtige politische Posten geben, dann werfen sie uns vor, daß wir damit den Plänen der Feinde dienen, sie in Jordanien anzusiedeln. Und wenn wir es nicht tun, dann sprechen die Palästinenser von Diskriminierung.“

Der zweite Grund für die tiefe Besorgnis innerhalb der politischen Kreise Jordaniens ist das Verhältnis zum Irak. Die US-Regierung übe einen starken Druck auf den König aus, sich an der Kampagne zum Sturz Saddam Husseins zu beteiligen, sagen Diplomaten in Amman. „Die Amerikaner haben eine Liste von Forderungen vorgelegt: Die Gruppen der irakischen Opposition sollen sich in Jordanien frei bewegen dürfen. Der König soll öffentlich erklären, daß Saddam abtreten muß. Und der Handel mit dem Irak muß vollständig gestoppt werden, um die Blockade gegen ihn effektiver zu machen.“ Die beiden ersten Forderungen habe der König abgelehnt, heißt es weiter. Da der Irak unter der jordanischen Bevölkerung immer noch starke Unterstützung genießt, würde ihre Erfüllung sich auf Husseins Stellung im Lande sehr negativ auswirken. Nur die Embargoforderung habe der König akzeptiert und auch durchgesetzt, versichern informierte Kreise.

Zugleich hat die jordanische Führung jedoch große Angst vor den zukünftigen Entwicklungen im Irak. „Die wichtigste Frage ist nicht, ob Saddam bleibt oder abtritt, sondern wie die kommende Regierung im Irak aussehen wird“, sagt ein erfahrener arabischer Politiker. „Die jordanische Führung konnte die Beziehung zum Irak jahrelang nutzen, um ihre Position gegenüber anderen regionalen Kräften, wie Israel, Syrien und Saudi Arabien zu stärken. Wenn sie diese Karte verliert, dann wird sie sehr schwach sein. Damit wächst auch die Gefahr, von einer starken regionalen Macht geschluckt zu werden.“ Der jordanische Politiker bestätigt diese Befürchtung. „Unsere Brücken zu den wichtigsten arabischen Ländern, wie den Golfstaaten und Ägypten, sind verbrannt. Alle Versuche, die Beziehungen mit ihnen zu verbessern, sind gescheitert. Wir haben das Gefühl, man braucht uns nicht mehr.“ Und mit ironischem Lächeln fügt er hinzu: „Heute ist ja die Sowjetisierung oder Jugoslawisierung in Mode. Bei uns in Jordanien sagen viele, ein Teil unseres Landes wird an Saudi-Arabien gegeben, ein Teil an den Irak, ein Teil an Syrien und der Rest an die Palästinenser.“