INTERVIEW
: „Frauen werden in die Enklave abgeschoben“

■ Gespräch mit der Ostberliner Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe, Mitglied des Verfassungskuratoriums, Berlin

taz: Sie haben in Ihrer Rede beim Verfassungskonvent der Frauen die Überwindung der vorhandenen Machtstrukturen gefordert. Ist das in der nachfolgenden Diskussion eingelöst worden?

Ulrike Poppe: Nicht Überwindung, sondern mehr Basisdemokratie. Das ist nur wenig thematisiert worden, weil es vorwiegend um konkrete Frauenrechte ging. Allerdings würden traditionelle, von Männern geprägte Strukturen aufgebrochen, wenn Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen tatsächlich den Männern gleichgestellt wären.

Gibt es unterschiedliche Interessen zwischen Frauen aus den alten und neuen Bundesländern?

Es gibt unterschiedliche Prioritäten. Aus zwei Gründen setzen sich die ostdeutschen Frauen vehement für die Verankerung sozialer Rechte in der Verfassung ein: Einmal, weil sie einige ihrer sozialen Rechte der ehemaligen DDR verloren haben. Zum zweiten deshalb, weil es den Ostdeutschen schlechter geht, weil sie sozial benachteiligt sind. Frauen sind besonders von diesen Benachteiligungen betroffen.

Bei der Veranstaltung waren Frauen aus dem Osten völlig unterrepräsentiert. Wie soll da ein umfassendes Meinungsbild entstanden sein?

Vermutlich haben sehr viele Frauen im Osten im Moment andere Probleme und konnten es sich deshalb schier nicht leisten, zwei Tage hier zu verbringen. Es besteht ohnehin die Gefahr, daß Frauen in eine Enklave abgeschoben werden, wenn sie nur über Frauenrechte reden, während die männerdominierte Politik unverändert weitergeht. Soviel Zeit haben wir nicht. Diese Befürchtung hat sich am Chiemsee bestätigt. Aber offenbar gibt es bei Frauen ein großes Bedürfnis, in erster Linie über Frauenrechte zu sprechen. Das ist natürlich. Andererseits finde ich es wichtig, daß es Frauenforen gibt, die sich mit anderen Themen befassen. Zum Beispiel zur Friedensverfassung, zum Umweltschutz oder zu den sozialen Rechten. Auch in der Wirtschaft, bei Finanzen, in der Verteidigungs- und Außenpolitik müssen Frauen endlich mitreden.

Von weiblichen Utopien war oft die Rede. Blieben die Frauen dem Klischee verhaftet, die Frau an sich ist gut?

Micht stört oft bei Frauenveranstaltungen, daß Frauen für sich die bessere Moral in Anspruch nehmen. Die haben sie nicht. Sie haben, und das ergibt sich aus ihren speziellen Lebenszusammenhängen, manchmal eine andere Sicht. Gerade, wenn sie nicht in den Führungsebenen stecken, können sie den Blick von außen einbringen, also mehr die Kompetenz der Betroffenen als die der Macher. Das prädestiniert sie vielleicht, kritischer und distanzierter aufzutreten. Aber sie haben nicht per se die zukunftsträchtigeren Ideen auf Lager.

Wie schätzen Sie den Einfluß dieser Tagung auf die neue Verfassung ein?

Einige Frauen aus der Verfassungskommission waren ja dabei. Ob die nun etwas aus dieser Veranstaltung mitnehmen und in der Kommission einbringen, weiß ich nicht. Ich hatte den Eindruck, daß sie schon sehr genau wußten, was sie wollen. Das deckt sich nur teilweise mit dem, was hier besprochen wurde. Ansonsten hoffe ich, daß alle Teilnehmerinnen ermutigt wurden, in ihren Bereichen weiterzumachen. Ich halte es für unbedingt nötig, die Diskussion zu verbreitern. Frauen müßten viele solcher Foren organisieren. Interview: Corinna Edmundts