Der Frust, der Filz und die Grünen

■ GAL-Fraktionschefin Krista Sager zum Dilemma grüner Realpolitik in der Krise des Parteienstaates / Kritik am Amateur-Status der Bürgerschaft und an wenig innovationsfreudigen Behören...

zum Dilemma grüner Realpolitik in der Krise des Parteienstaates / Kritik am Amateur-Status der Bürgerschaft und an wenig innovationsfreudigen Behörden / Kommunikationsprobleme in der Fraktion

taz: Die Hamburger Grünen in den Zeiten der Politikverdrossenheit. Zu wenig Mitglieder, Nachwuchsmangel, Finanzprobleme. Die Rücktritte von Michael Pollmann und Simone Dietz zeigen, daß sich selbst in der hochgelobten Rathausfraktion der Polit-Frust breitmacht. Grüner Erstickungstod in der Real-Politik?

Sager: Ich hoffe doch nicht. Die Krise des Parteiensystems ist schließlich kein originär grünes Problem.

taz: Aber die Grünen stehen vor einem originären Dilemma, vor dem die anderen Parteien so nicht stehen: Sie teilen einerseits die Kritik am Parteienstaat, müssen sich aber andererseits als besserer Teil dieses Parteienstaates profilieren.

Sager: Das Problem haben wir doch schon seit Beginn unserer Existenz. Unsere Vorgänger haben ja durchaus auch knallharte Rathaus-Politik gemacht und sich trotzdem zur Eigentlich-gar-nicht-Partei erklärt. Ich glaube, die eigentliche Überlebens-Frage wird sein, ob es noch einmal eine Entwicklung gibt, in der sich die innovativen Potentiale der Stadt in die Lösung der gesellschaftlichen Probleme einmischen, statt sich aus ihnen zurückzuziehen. Es gibt diese Potentiale ja. Im Wissenschaftsbereich, in Initiativen und Vereinen, in Unternehmen.

taz: Das hört sich sehr nach dem Voscherau'schen Gedanken einer „Koalition mit der Stadt an“.

Sager: Nein, das hat nichts mit einem Gesprächsangebot von oben zu tun, das hat etwas damit zu tun, ob die Leute selber noch mal eingreifen wollen. Die Menschen, die früher auf die Straße gegangen sind, haben ja nicht aufgehört, sich mit den Problemen zu beschäftigen. Sie haben nur festgestellt, daß eine Demonstration nicht mehr der Weg ist, mit dem sie ihre Anliegen am effektivsten transportieren können. Statt dessen haben sie angefangen, sich entlang von punktuellen Themen zu organisieren. In Vereinen, Initiativen und Institutionen. Es gibt hervorragende Ideen in diesen Gruppen. Die Frage ist, wie es gelingen kann, die Arbeit dieser Leute besser zu vernetzen und zu bündeln, damit sie auf politischer Ebene schneller etwas bewirkt.

taz: Woran scheitert die Umsetzung dieser Ideen?

Sager: Zum Beispiel am SPD-Filz. Viele Vorschläge, die kommen, werden doch schon auf Behördenebene abgewürgt. Dort stellt man sich doch zunächst mal die Frage: Schadet das unserer eigenen Position, kratzt das an unserem Image? Politische Beteiligung muß auch gewollt sein. Ich habe den Eindruck, daß Menschen, die mitmachen wollen, in Hamburg erstmal entmutigt und abgeschreckt werden. Politikverdrossenheit kann sich aber nur

1in dem Maße ändern, in dem die Leute wieder daran glauben, durch Politik ihre Vorstellungen auch umsetzen zu können.

taz: Und was trägt die GAL dazu bei?

Sager: Daß wir selber Lösungsansätze in die Diskussion bringen und unsere eigenen Vorschläge weiter

1entwickeln, ist eine unserer Aufgaben. Daß wir den Gruppen und Initiativen zur Verfügung stehen, um ihren Anliegen auf politischer Ebene Nachdruck zu verleihen, eine andere. Außerdem werden wir uns für eine Reform der Hamburger Politik einsetzen, die die Menschen

dazu ermutigt, etwas politisch umsetzen zu wollen.

taz: Das gelang zuletzt noch nicht mal innerhalb der Fraktion.

Sager: Auf persönliche Entscheidungen haben wir nur einen sehr begrenzten Einfluß. Und die Rahmenbedingungen können wir allein nicht ändern. Das muß aber geschehen. Simone Dietz hat ja recht, wenn sie sagt, das Feierabendparlament ist zur Farce geworden.

taz: Nicht nur der Amateur-Status der Bürgerschaftsabgeordneten schreckt politische Talente ab. Dietz ist von Teilen der Fraktion nicht gerade ermutigt worden zu bleiben. Ein Zeichen für politische Profilierungskämpfe innerhalb der Fraktion?

Sager: Solche Motive möchte ich meinen FraktionskollegInnen bei ihren Entscheidungen nicht unterstellen.

taz: Noch ein Indiz: Michael Pollmann beklagte bei seinem Abgang die mangelnde Zusammenarbeit innerhalb der Fraktion.

Sager: Wir haben uns im vergangenen Jahr auf die Sachthemen konzentriert. Da blieb gerade für unsere Feierabend-Abgeordneten, die nicht auch Angestellte der Fraktion sind, wenig Zeit, sich auch um das Ganze zu kümmern. Dennoch ist klar, daß wir unsere Zusammenarbeit verbessern müssen.

Fragen: Uli Exner