■ Stadtmitte
: "Deutschlandhaus" als Ort der Begegnung

»Deutschlandhaus« als Ort der Begegnung

Das »Deutschlandhaus«, in den 20er Jahren als Eckhaus gegenüber dem Anhalter Bahnhof von den Architekten Richard Bielenberg und Josef Moser errichtet, wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und mit großem Aufwand in den 50er Jahren wieder aufgebaut. Das 12stöckige Gebäude beherbergt heute das Fernmeldeamt 3 sowie die Stiftung »Deutschlandhaus«. Diese Stiftung privaten Rechts wurde im Juni 1952 unter dem Namen »Haus der ostdeutschen Heimat« durch die Staatsaufsicht genehmigt und zog 1961 in das Haus an der Stresemannstraße ein, nachdem ihr Domizil bis dahin am Kaiserdamm 83 in Charlottenburg lag. Seitdem wird mit großem Aufwand permanent an die als Resultat des Zweiten Weltkrieges verlorenengegangenen deutschen Gebiete in Ost- und Südosteuropa erinnert. Die Stiftung wurde und wird gefördert durch Mittel der Bundesministerien für gesamtdeutsche Fragen bzw. innerdeutsche Beziehungen, die seit der deutschen Einheit durch das Bundesinnenministerium vertreten werden. Der Berliner Senat beteiligt sich nach einer im August 1951 getroffenen Vereinbarung zu einem Drittel an den jährlich entstehenden Ausgaben; die öffentlichen Zuwendungen beliefen sich im Jahre 1991 auf 2,5 Millionen Mark. Unter dem Dach der Stiftung residieren zahlreiche Landsmannschaften und Vertriebenenverbände, unter anderem der »Bund der Mitteldeutschen«, die »Landsmannschaft Berlin-Brandenburg« und die »Landsmannschaft der Deutschen aus Jugoslawien«. Die Stiftung selbst hat sich die »Pflege und Vermittlung aller kulturellen Werte deutscher Siedlungsgebiete außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes, insbesondere durch Pflege und Erhaltung des ostdeutschen Kulturgutes« zum Ziel gesetzt. Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik plädierte selbst die FAZ für eine »Abwicklung West« und sprach von einer »obsoleten Vertreibungsnachsorge im Stil der fünfziger Jahre, die sich nicht durch das Interesse an Problemen definiert, sondern durch die Bindung an Territorien.«

Das Aktive Museum hat mit einer kleinen Demonstration am 8.Mai auf diese Problematik aufmerksam gemacht. Wir sind der Meinung, daß es durchaus eine Verbindung von aktuellen Problemen mit der Bindung an Territorien geben kann, und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen sollte man nicht vollkommen mit der Geschichte des Hauses brechen; an der Stelle, wo sich bisher Menschen ihrer Heimat aus der Zeit vor 1945 erinnern und vergewissern, sollen sich in Zukunft junge Leute aus diesen ehemals deutschen Gebieten mit gleichaltrigen Deutschen treffen. Es handelt sich dabei um eine Generation, die nach der staatlichen Aussöhnung durch die sogenannten Ostverträge geboren wurde. Den bereits gegründeten, beziehungsweise sich in Gründung befindlichen deutsch- polnischen, deutsch-tschechischen und deutsch-russischen Jugendwerken kann kein besserer Platz angeboten werden. Zum anderen darf man nicht mit der Geschichte der Umgebung brechen: In unmittelbarer Nachbarschaft des Hauses der deutschen Vertriebenen befand sich eine Generation vor dessen Errichtung die Terrorzentrale des Staates, der ursächlich für die spätere Vertreibung verantwortlich war. Ohne den Nationalsozialismus und dessen Vernichtungsapparat hätte es 16 Jahre nach Kriegsende auch keines Deutschlandhauses einige Meter vom früheren Reichssicherheitshauptamt entfernt bedurft. Das spätere Deutschlandhaus ist nur in Verbindung mit dem Nationalsozialismus, der Gestapo und der SS zu denken: Deshalb sollten die Mitarbeiter der Gedenkstätte »Topographie des Terrors«, die keine geeigneten Räume zur Verfügung haben, hier den Platz nutzen können. Von der Mitte Berlins, vom Ort der Täter, darf keine rückwärtsgewandte, revanchistische Botschaft ausgehen. Dieser Ort muß zu einer Begegnung mit Menschen aus anderen Ländern führen und nicht zu einer Konfrontation mit ihnen. Das »Deutschlandhaus« ist der beste Ort für die Begegnung mit der aktuellen europäischen Realität und der deutschen Vergangenheit!Martin Becher/Andreas Herbst

Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e.V. In der Stadtmitte schreiben Persönlichkeiten zu Problemen des zusammenwachsenden Berlins.