Erich Honecker liest taz

Berlin (taz/dpa) — Dank der blitzschnellen Reaktion unserer aufgeweckten Abo-Abteilung, die Erich Honecker schon am ersten Tag seiner Inhaftierung ein taz-Knast-Abo zukommen ließ, kann sich E.H. auch in Berlin-Moabit täglich umfassend über die aktuelle Weltlage informieren. Daß er das auch wirklich mit Hilfe unserer Zeitung macht, bestätigte sein Anwalt Friedrich Wolff: „Die bekommt er und die liest er auch.“

Außerdem gehe es dem alten Mann „den Umständen entsprechend gut“, sagte Wolff. Auf sein Lieblingsgericht muß Honecker zu seinem 80.Geburtstag an diesem Dienstag allerdings verzichten. Statt Königsberger stehen „Buletten mit Salzkartoffeln und Curry- Kraut“ auf dem Speiseplan im Gefängnis Moabit. Und soviel Besuch und Glückwünsche wie zu seinem 75. wird Herr Honecker diesmal auch wohl nicht bekommen. Ehefrau Margot und Tochter Sonja bleiben auf jeden Fall in Chile.

Post aus Bonn, wie damals, erwartet der Greis ebenfalls nicht. Auf die Frage, ob er mit einer Reaktion der früheren Gratulanten rechne, sagte Wolff: „Ganz sicher nicht.“ Selbst Rocksänger Udo Lindenberg, der dem „Generalsekretär“ einst eine Lederjacke schenkte und dafür eine Schalmei bekam, singt kein Geburtstagsständchen wie vor fünf Jahren. Statt dessen schrieb er ein Gedicht. Darin heißt es unter anderem: „Lederjacke und Schalmei, diese Scherze sind vorbei.“

Lassen Sie sich von diesem Lümmel nicht den Geburtstag verderben, Herr Honecker, immer weiter fleißig taz lesen, dann werden Sie sich auch an ihrem 80. nicht langweilen und, wer weiß, vielleicht hilft's ja. kweg