Spekulationen über einen Verzicht Thierses

Berlin (taz) - Viele Berliner Sozialdemokraten trieb die Ungewißheit gestern an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Ob der stellvertretende SPD-Vorsitzende Wolfgang Thierse bereit ist, neben seinen bundespolitischen Funktionen auch das Amt des Berliner SPD-Chefs zu übernehmen, war am Sonntag offener als je zuvor.

Einen Tag vor der für heute angekündigten Entscheidung des Ostberliner Politikers sorgte gestern die Meldung des Spiegels für Unruhe, Thierse habe sich bereits gegen eine Kandidatur entschieden. In der Umgebung des Ostberliner Politikers wurde dies jedoch als bloße „Vermutung“ bewertet.

Der Spiegel berichtet in seiner jüngsten Ausgabe, für Thierse seien Forderungen verschiedener Berliner SPD-Politiker vom rechten Flügel „unannehmbar“, er solle als Parteichef antreten, aber gleichzeitig auf eine Spitzenkandidatur für die nächsten Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus verzichten. Diese Funktion, so die Parteirechte, solle er Fraktionschef Ditmar Staffelt überlassen.

Das Amt des Berliner Landesvorsitzes ist vakant, seit der bisherige Parteichef Walter Momper vor einer Woche zurückgetreten war. Verzichte der von allen Parteiflügeln favorisierte Thierse auf die Momper- Nachfolge, würde dies die Berliner SPD in „eine schwierige Situation“ stürzen, sagte gestern die kommissarische Parteivorsitzende Monika Buttgereit zur taz. Fraktionschef Staffelt habe für diesen Fall zwar bereits seine eigene Kandidatur angekündigt. Teile des linken Flügels sehen nach Buttgereits Worten jedoch „Probleme“, wenn der Vorsitz von Partei und Fraktion in einer Person vereinigt wird.

Die Parteilinke werde dann „darüber diskutieren müssen, ob sie einen Gegenkandidat zu Staffelt aufstellt“, sagte Buttgereit weiter. In diesem Fall wolle sie „eine Kandidatur von mir nicht ausschließen“. Staffelt gehört ebenfalls zum linken Flügel der Partei, wird jedoch vor allem von der SPD-Rechten unterstützt. Hmt