■ SALZBURG 1992
: Gutes Krisenmanagement: Die Hoteliers sind wieder besänftigt

Der Polizist hat Mühe, neugierige Jugendliche fernzuhalten. Aber er bleibt ruhig, auch wenn er zum hundertsten Mal gefragt wird, was da vorne denn los sei, wer da auf der Straße Klavier spiele. Er weiß es nicht.

Für Pierre Boulez hatte man mitten in Salzburg einen Flügel auf den Asphalt gestellt. Nicht um die Kunst auf die Straße zu holen, sondern um einen ausgefallenen Hintergrund für Fernsehbilder zu haben. Das öffentliche Leben in Salzburg ist weithin bestimmt von klassischer Musik, ihrer Präsentation und Vermarktung. Den neuen Festspielleiter, Gérard Mortier, stört es allerdings, wenn zwischen Vorderschinken und Kalbsstelzen ein Photo von Solti eingezwängt ist oder wenn zwischen Büstenhalter und Kniestrumpf Mozart hervorlächelt. Mortier hat es laut gesagt, aber er ging noch weiter: Von „mafiosen Schiebereien“ sprach er, die aus der Verbindung von Karajan und der Deutschen Grammophon entstanden seien; von Korruption, die er nun beenden müsse. Hintergrund dieser Anschläge war allerdings die Weigerung der Plattenfirma, sich mit zehn Prozent ihres Salzburger Werbeetats an Mortiers Idee zu beteiligen, ein Kontingent billiger Karten für die Jugend bereitzustellen.

Mortiers Äußerungen haben viel Staub aufgewirbelt; Mitglieder des Festspieldirektoriums, der Salzburger Bürgermeister und die Hoteliers heulten auf. „Irreparable Schäden“ seien entstanden durch Mortiers Statements (siehe auch taz vom 2.9.1989, Interview mit Mortier), zweihundert Mitglieder des Fördervereins (der jährlich etwa drei Millionen Mark zuschießt) seien bereits ausgetreten.

Auf der eilig einberufenen Krisensitzung war dann alles wie weggeblasen. Mortier lenkte ein, sein Direktoriumskollege Hans Landesmann verkündete anschließend, es sei „ein gutes, klärendes Gespräch“ gewesen; Mortiers spektakuläre Interviews seien in Wirklichkeit das Machwerk deutscher Zeitungen, seien „aus länger zurückliegenden Zitaten montiert“.

Nun witterten auch die Hoteliers ihre Chance, dem angeschlagenen Festivaldirektor einen weiteren Kniefall abzufordern. Mit seiner Programmgestaltung trage er die Schuld für sinkendes Publikumsinteresse, sprich: sinkende Übernachtungszahlen. Auch mit den Hotelbesitzern gab es ein Krisengespräch, bei dem dann „alles geklärt“ wurde (so der Landesvorsitzende der Hoteliervereinigung). Offenbar wollte Mortier seinen Posten doch nicht aufs Spiel setzen, bekam Angst vor der eigenen Courage. Denn als promovierter Jurist und Topmanager, als der er sich gerne sieht, wußte er sicher, wovon er sprach, als er gegen die Deutsche Grammophon wetterte.

Statt Interviews und Pressekonferenzen zu geben, hätte Mortier besser damit begonnen, im eigenen Hause aufzuräumen. Zum Beispiel bei der Vergabe von Pressekarten; unmöglich für die taz, kurzfristig Karten zu bekommen. Er aber denkt in größeren Zusammenhängen. So will er die Jugend ins Festspielhaus locken: mit billigen Karten und frühen Anfangszeiten, damit sie nach der Vorstellung wieder nach Hause fahren können, denn die Hotelpreise ändern sich nicht.

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