PRESS-SCHLAG
: Klub nach Irgendwo

■ Günter Sebert, der neue Trainer bei Hertha BSC

Ein wahrer Mann liebt nur zwei Dinge: Die Gefahr und das Spiel. (Friedrich Nietzsche)

Einunddreißig Jahre lang hat der Sebert Günter im badischen Mannheim Fußball gespielt, seit Freitag erfüllt er nun auch die zweite Anforderung, um ein richtiges Mannsbild zu sein: Er ist Trainer von Hertha BSC.

„Ich mag gewagte Dinge“, spricht er über seinen neuen Job beim einzigen Hauptstadt-Profi- Klub, der in den letzten zwei Jahren sechs Trainer verschliß und auch sonst jederzeit für allerlei Skandalöses zu haben ist; und überhaupt machte das Auftreten des Sebert Günter in Berlin die ersten Tage den Eindruck, als sei ein Red Adair des Fußballs zur Hertha geeilt, um Unmögliches zu schaffen, den heißen Trainerstuhl der Hertha zu löschen und sie von einem Abstiegsplatz zum Aufstieg zu führen.

Daß der Sebert Günter wagemutig ist, beweist sein Lebenslauf. Wie gesagt, kickte er 31 Jahre als unerschrockener und erschreckender Verteidiger bei den Waldhof- Buben in Mannheim, zwei Jahre lernte er das Trainerhandwerk als Assistent des Schlappner Klaus bei den Waldhof-Buben in Mannheim, schließlich war er drei Jahre Chefcoach, ja, bei den Waldhof-Buben in Mannheim, anschließend ein Jahr Arbeitslosigkeit; der Mann mag gewagte Dinge.

Und er ist ein sogenannter harter Hund, ein bodenständiger Arbeiter, ein gerader und ehrlicher Mensch. Genau das, was die Hertha jetzt bräuchte, meinte wohl der Vorstand des Klubs, der mit knapp zehn Millionen Mark Etat soviel investierte wie kein anderer Zweitligist und nach zehn Spieltagen nur auf einem Abstiegsplatz steht. Der alte Trainer Bernd Stange, welcher immerhin schon vier Jahre die DDR-Nationalmannschaft betreute, wurde vor einer Woche gegangen, angeblich von sich aus.

Eine Woche gab die Hertha das von ihr gewohnte Kasperltheater auf der Suche nach dem Nachfolger. Kandidaten wie Gerd-Volker Schock, Helmut Schulte, Wolfgang Sidka schwirrten herum, der am Donnerstag als Nachfolger präsentierte Lorenz Köstner zog sich zur selben Zeit in Stuttgart beim VfB zum Training; am Ende war's der Sebert Günter von den Waldhof-Buben aus Mannheim. Den gnadenlos grinsenden Freudegesichtern der Hertha-Vorständler war am Sonntag beim Spiel gegen Fortuna Düsseldorf zu entnehmen: das isser. Bernd Stange sei ihnen zu weich gewesen, die anderen alle zu teuer, doch der Sebert Günter hat bei den Verhandlungen keine Faxen gemacht und gleich zugestimmt, ein Mann allein, reingehen, rausgehen, immer dabei, wo was los ist. Nur dem greisen Präsidenten Heinz Roloff schien der neue Trainer nicht ganz geheuer. Etwaige Kommunikationsschwierigkeiten fürchtend, fragte er an, ob es denn auch einen Übersetzungscomputer gäbe für den badischen Dialekt des Sebert Günter.

Muß es doch gar nicht, denn die Sprache des Mannes ist eindeutig. So was braucht die zickige Dame Hertha, hundertjährig und immer noch voller Flausen, einen, der weiß, wo die Wurst wächst und was die Berliner sehen wollen: „Die Leute im Stadion müssen sehen, daß sich meine Männer auf dem Rasen zerreißen. Da wird bis an die Grenzen des Erlaubten, auch des Unerlaubten gefightet.“ Keine Frage, das hat er von seinem Lehrherrn gelernt, dem Reservefeldwebel Schlappi. Dementsprechend das Motto: Disziplin ist alles.

Doch die Spieler von Hertha brauchen nicht zu fürchten, beim Training verschärft „Wegtreten“ üben zu müssen, nein, der Sebert Günter hat gezeigt, daß auch unter seiner Schale ein weicher Kern steckt. Nach dem kläglichen 0:0 seiner himmelweit überlegenen Mannschaft gegen Düsseldorf brachte er verwirrendes hervor: „Hätten wir irgendwo ein Tor geschossen, hätten wir gewonnen.“ Und weiter „Wir sind irgendwo spielerisch besser gewesen.“

Hinter der Mannheimer Stadtgrenze muß der Mann vollends die Orientierung verloren haben, und auch, wenn er zu einem Verein geht, der die Grenze des Unerlaubten längst überschritten hat, was ihn ja bekanntermaßen reizt, wer soll aus sowas schlau werden: „Wenn's irgendwo im Sportlichen stimmt und das Umfeld irgendwo in Ordnung ist, dann geh' ich sofort irgendwo hin!“ Hertha?

Die erste Probe, die ein richtiger Feuerwehrmann auf Herthas heißem Stuhl braucht, bestand der Sebert Günter jedenfalls nicht; nach einem heftigen Wolkenbruch im Olympiastadion zeigte sich deutlich: Er ist nicht wasserdicht. nihil