Staatsräte sollen die Armut bekämpfen

■ Senat diskutiert soziale Großstadtstrategie / Experten raten zum Umdenken / Zweit-STEB

/ Experten raten zum Umdenken / Zweit-STEB soll Konzept entwerfen

Der Senat tagte, ließ sich beraten, tagte, kreißte und gebar — eine „hochrangige Lenkungsgruppe auf Staatsräte-Ebene“, die bis zum Frühjahr „Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse“ bündeln und mit dem „Ziel einer wirksamen sozialen Großstadt-Strategie“ weiterentwickeln soll. Armutsbekämpfung auf hamburgisch, im Behördendeutsch Voscherauscher Prägung, gestern vorgestellt vom Ersten Bürgermeister.

In einer „klausurähnlichen Tagung“, so der Senatschef, hatte sich die Stadtregierung zuvor mit der wachsenden Armut befaßt, und sich von Experten aus München, Frankfurt und Köln beraten lassen, wie man das Abrutschen ganzer Stadtteile ins soziale Abseits vermeiden könne.

Da war zum Beispiel Professor Richard Hauser von der Uni Frankfurt, der dem Senat zunächst den Hamburger Armutsspiegel vor die Nase hielt. Steigerung der Sozialhilfeempfänger von 1980 bis 1990 von 3,3 auf 9,3 Prozent. Über 150000 Menschen. Am häufigsten betroffen: Kinder. 20 Prozent der unter 7jährigen wachsen in Hamburg dauerhaft oder zeitweise in einem Sozialhilfeempfänger-Haushalt auf. Möglichkeiten entgegenzusteuern: für einen Stadtstaat begrenzt, aber doch möglich. Nur: Alle Maßnahmen, so Experte Hauser, erfordern hohe finanzielle Mittel und veränderte Ausgaben-Prioritäten. Beispiele: Wohn- und Kindergeldaufstockung durch die Stadt oder zusätzliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.

Auf derart Konkretes wollte sich der Senat gestern nicht einlassen. Solche Zahlungen seien, so Voscherau, nur denkbar, wenn der Bund die Kommunen besser ausstatte. Daran sei aber kaum zu denken. Im Gegenteil, die Verteilungskämpfe zwischen Bund, Ländern und Gemeinden dürften nicht nur einheitsbedingt härter werden.

Was also bleibt Hamburg übrig? Michael Schleicher vom Kölner Amt für Wohnungswesen plädiert für eine vorbeugende Wohnraumsicherung, die Menschen vor Obdachlosigkeit bewahrt, ihnen notfalls Geld oder eine neue Wohnung zur Verfügung stellt. So etwas gibt es in Hamurg bereits bedingt erfolgreich in den Bezirken Mitte und Harburg. Sie soll, so Voscherau, verbessert und auch in den anderen Bezirken umgesetzt werden.

Was noch? „Darüber reden“, empfiehlt der Senatschef und kündigt einen regelmäßigen Armutsbericht an, den die Münchner Sozialplanerin Petra Schmid-Urban den Senatoren ans Herz gelegt hatte. Er soll künftig von der Sozialbehörde erstellt werden.

1Alle drei Experten mahnten außerdem eine bessere Zusammenarbeit der Behörden bei Stadtentwicklung und Armutsbekämpfung an. Ob die „hochrangige Lenkungs-

1gruppe“ diese Aufgabe wohl erfolgreicher meistert, als die einst für eben diesen Zweck gegründete Stadtentwicklungsbehörde? Uli Exner