Entsetzen über Rostock-Pogrom

■ Hamburg: Schwere Vorwürfe gegen Politik und Polizei

Über 500 Menschen aus dem autonomen Spektrum haben gestern gegen die rassistischen Überfälle auf Flüchtlinge in Rostock demonstriert. Ein Mob von 1000 Neonazis hatte am Montagabend — der dritten Pogromnacht — die „Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber“ (ZAST) mit Molotow- Coctails in Flammen gesteckt, die Polizei, auch Hamburger Einheiten, sahen tatenlos zu (siehe Seite 1). Eine Demo-Rednerin betonte, daß die Vorfälle „nicht auf die Fehler der Einsatzleitung zurückzuführen“ seien, es sei „bewußt die Eskalation in Kauf genommen worden.“

In die gleiche Kerbe schlägt auch der Hamburger Sprecher der Kritischen PolizistInnen, Manfred Mahr. Ebenso wie die GAL und die IG Metall ist Mahr der Auffassung, daß die Mecklenburger Regierung, die Verständnis für das Vorgehen der Rechtsradikalen gezeigt hatte, die Verantwortung an den Krawallen trägt. Mahr: „Innenminister Kupfer nehmen Sie ihren Hut! Ministerpräsident Seite — danken Sie ab! Sie haben versagt.“ Mahr forderte, Polizisten aus den alten Bundesländern zum Schutz der Flüchtlinge in den Osten zu entsenden.

Daß dies nicht ausreicht, zeigen die Vorfälle vom Montag. Denn zu diesem Zeitpunkt waren zwei Hundertschaften aus Hamburg in Rostock eingesetzt. Der Rostocker Polizeisprecher Bernd Timmermann dementierte aber Meldungen, nach denen der Überfall nur deswegen möglich gewesen wäre, weil gerade die Hamburger Bereitschaftpolizisten aus dem Einsatz herausgelöst worden seien. Timmermann: „Das stimmt auf keinem Fall, daß die Hamburger Kollegen Schuld sind.“ Warum es allerdings seit dem Brandbombenangriffen um 21.26 Uhr bis 22.50 Uhr dauerte, ehe die Polizei den Vietnamesen im brennenden Gebäude zur Hilfe kam, konnte Timmermann nicht sagen: “Das weiß ich auch nicht. Ich bin kein Polizeiführer.“

Neben dem Versagen der Polizei rückten grundsätzliche Fragen der Ausländerpoplitik wieder in den Mittelpunkt. Organisation aus der Flüchtlingsarbeit werfen Politikern vor, durch die Schaffung der zentralen Aufnahmelager — wie sie jetzt durch das neue Ausländergesetz vorgeschrieben sind —, derartige Krawalle geradezu zu schüren. Daher könnten sich derartige Pogrome andernorts wiederholen. Hamburger Sozialarbeiter berichten über erste Drohungen gegen Bewohner einer Unterkunft Altona, die Stimmung auf den Neumühlener Wohnschiffen sei depremiert.

Offensichtlich animiert durch das „fanatische Inferno“ (IG Metall) von Rostock führt die Initiative gegen das „Flüchtlingslager Oelixdorf-Itzehoe“ am Freitag (16 Uhr) eine Kundgebung durch. Tenor: „Ausverkauf der Grundrechte — nein!“ Antirassistische Gruppen rufen zur Gegendemo auf. Peter Müller

Bundesweite Demonstration in Rostock, Samstag 13 Uhr