Gegen Pogrome überall

■ Demos von Flüchtlingsgruppen, Grünen, Autonomen

Frankfurt/Main (taz) — Nach drei Pogromnächten in Rostock ist endlich ein Teil der bundesdeutschen Öffentlichkeit aufgewacht. Der Bundesvorstand der Grünen unterbrach seine Sitzung und rief gestern in Berlin zu einem Autokonvoi nach Rostock auf. Gestern nachmittag um drei Uhr begann auch die erste größere Demonstration in Rostock gegen den rechten Mob und die Neonazis. Der DGB hatte zu einer Kundgebung vor dem Rathaus der Hansestadt aufgerufen. Auch in Frankfurt sollte am Abend demonstriert werden. Schon am Vorabend hatten in Berlin, Frankfurt und Bonn spontan Menschen gegen ein Wiederaufleben des Faschismus in Deutschland protestiert. Prominente Politiker wollen sich dagegen nicht vor die von Deutschen verfolgten Flüchtlinge stellen: Die taz bekam auf entsprechende Fragen bei den Herren von Weizsäcker, Kohl, Lambsdorff, Seiters und bei Frau Süssmuth keine Antwort.

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) beantragte bei der Staatsanwaltschaft Rostock Ermittlungen gegen den Chef des Schweriner Landeskriminalamtes Siegfried Kordus und den Schweriner Innenminister Lothar Kupfer (CDU) wegen unterlassener Hilfeleistung und Beihilfe zu Körperverletzung im Amt.

In Frankfurt forderte der Sprecher der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge, Pro Asyl, Herbert Leuniger, den sofortigen Stopp der Asylrechtsdebatte in der Bundesrepublik — und eine „große Koalition zum Schutz der Flüchtlinge“. Es sei ein politischer Skandal, daß führende Politiker in dieser Situation erneut eine Änderung des Artikels 16 des Grundgesetzes forderten. Schwere Vorwürfe richtete Leuniger auch gegen die Polizeiführung. Leuniger: „Ich habe in Rostock den bayerischen Polizeikessel vermißt.“ Aus einem von Rechtsanwalt Victor Pfaff für Pro Asyl erstellten Gutachten geht hervor, daß die von den Regierungsparteien und jetzt auch von der SPD beabsichtigten Änderungen am Artikel 16 verfassungswidrig seien. kpk/ten

Weitere Demonstrationen:

Für heute 17Uhr hat der DGB zusammen mit den Kirchen und der Jüdischen Gemeinde vor der Paulskirche in Frankfurt zu einer Kundgebung aufgerufen. Sprechen soll auch Frankfurts Oberbürgermeister von Bülow (SPD). In Berlin versammeln sich Protestwillige heute um 17.30 Uhr am Breitscheidplatz . Am Freitag um 16 Uhr soll eine Kundgebung vor der Zast in Kiel stattfinden. Für den Samstag um 13 Uhr ist außerdem eine Kundgebung auf dem Bonner Münsterplatz angekündigt. Die Berliner Unabhängigen Antifa- Gruppen und Grüne rufen für Samstag um 13 Uhr zu einer Großdemonstration nach Rostock auf.