Rache für Dänemarks Maastricht-Nein?

Sechs Milliarden Mark Subventionen für ostdeutsche Werften kosten Arbeitsplätze in Dänemark und Schweden/ Dort hat die Schiffbaubranche bereits erste Schließungen von Unternehmen angekündigt  ■ Aus Göteborg Reinhard Wolff

Den Beschäftigten der Citywerft war es längst klar gewesen. Was die Geschäftsführung dann vor einer Woche verkündete, konnte nicht mehr überraschen: Das Unternehmen wird demnächst dichtgemacht. Damit geht die letzte große Werft in der südschwedischen Stadt Göteborg unter.

Grund der Schließung ist eine Summe von 6,2 Milliarden Mark. Diesen Rahmenbetrag darf die Regierung in Bonn für direkte und indirekte Subventionen verwenden, um den vorläufigen Weiterbestand der ostdeutschen Werftindustrie zu sichern. Ende Mai kam die Genehmigung der EG dafür. Die Arbeitsplätze, die so in den nächsten Jahren in Warnemünde, Wismar und Rostock erhalten werden, gehen nun auf der anderen Seite der Ostsee verloren.

Nicht nur schwedische, sondern auch mehrere dänische Werften kündigten Massenentlassungen an. Akut gefährdet ist zum Beispiel die Svendborg-Werft in der gleichnamigen dänischen Stadt. „Die jetzigen Subventionen bedeuten, daß die ostdeutschen Werften Schiffsneubauten und -reparaturen zu einem Preis anbieten können, der unter unseren Materialkosten liegt“, sagt Per Glente, Direktor der Svendborg- Werft.

Er hat den 600 Beschäftigten seiner Werft ausgerechnet, wie hoch der Stundenlohn sein müßte, den sie nicht mehr ausbezahlt bekommen, sondern der Werft zahlen müßten, wollte die einen Auftrag zum Preis der Konkurrenz in Warnemünde ausführen: 80 Kronen (20 DM) pro Stunde. Das können sich die Werftarbeiter natürlich nicht leisten. Und Subventionen wie in Deutschland darf der dänische Staat nicht vergeben: In Brüssel würde sofort ein Verfahren wegen Verstoßes gegen die EG-Wettbewerbsbestimmungen angestrengt.

„Wir machen uns keine Illusionen“, sagt Per Glente nun. „Nach Warnemünde sind es nur drei Fahrtstunden. Und wenn die billiger anbieten können als wir, sagt dieser Abstand gar nichts.“ 150 der Werftarbeiter haben ihr Kündigungsschreiben schon bekommen. Weitere Kündigungen sollen bis zum Jahresende folgen. Fraglich ist aber, ob die Werft überhaupt überleben wird.

Bei den Werftarbeitern und ihren beiden Gewerkschaften, der Schiffswerft-Gewerkschaft und der Metallarbeitergewerkschaft, hat man eine eigene Theorie, warum die dänischen Bedenken gegen die Subventionen an die ostdeutschen Werften in Brüssel einfach vom Tisch gefegt wurden: Das sei die Rache Brüssels für den 2. Juni, an dem die Dänen mehrheitlich gegen die Maastrichter EG-Verträge stimmten. Selbst Industrieministerin Anne Birgitte Lundholt meint: „Man hat die Entscheidung absichtlich bis nach der Maastricht-Volksabstimmung und der Volksabstimmung in Irland verzögert. Danach hatte Brüssel keine große Lust mehr, sich um unsere Einwände zu kümmern. Es zählten nur noch die Interessen Deutschlands und Frankreichs.“ Tatsächlich hatte neben der deutschen auch die französische Werftindustrie ihr Scherflein abbekommen: Eine vor fünf Jahren mit EG-Subventionen geschlossene Werft in La Ciotat darf jetzt wieder aufmachen.

Max Baehring, Vorsitzender der dänischen Metallarbeitergewerkschaft, hat durchaus auch Verständnis für die Probleme der veralteten ehemaligen DDR-Werften: „Das darf aber nicht bedeuten, daß man alle Mitkonkurrenten vom Markt fegt. Dies vor allem, weil die Vorteile ja früher oder später bei den starken westdeutschen oder norwegischen Werften landen, die vielleicht sogar die ostdeutschen Werften aufkaufen.“ Die Gewerkschaften hatten deshalb der EG auch vorgeschlagen, daß sich die ostdeutschen Werften auf einen Sektor spezalisieren sollten, für den es bislang in Europa keine Konkurrenz gibt: den Umbau veralteter und gefährlicher Fracht- und Tankschiffe und die Verschrottung von Rostlauben. „Aber diese Vorschläge sind in Brüssel ohne Begründung vom Tisch gewischt worden.“

Außenminister Uffe Ellemann Jensen hält unterdessen nur einen schwachen Trost für die dänischen Werftarbeiter bereit: „Wir werden haarklein darauf achten, was die Deutschen mit den Subventionen machen, und sofort Alarm schlagen, wenn da etwas gegen die Bestimmungen läuft.“ Doch EG-Papiere sind geduldig und auslegungsfähig. In ihnen ist nicht einmal genau definiert, wann eine Werft noch „alt“ und subventionsfähig ist oder wann sie der Konkurrenz standhalten kann. Per Glente: „Die deutschen und norwegischen Konzerne werden die dänischen und schwedischen Mitkonkurrenten nach Strich und Faden auszählen.“