Endlich mal ein schöner Zug

■ Deutlich billiger als Autofahren: Bundes- und Reichsbahn führen die Halbpreiskarte BahnCard ein

Ob sich der Eisenbahntramp Jack London die BahnCard gekauft hätte, ist schwer zu sagen. Eines ist aber sicher: Mit diesem Ausweis, den Bundes- und Reichsbahn am 1. Oktober 1992 einführen, wird Zugfahren erheblich billiger. Die Bahnfahrt von Frankfurt am Main nach Berlin zum Beispiel kostet dann noch 60 Mark. Und zudem wird eine Angebotslücke geschlossen: Die BahnCard können alle kaufen, auch die, die für den Juniortarif zu alt und für den Seniorenpaß zu jung sind.

Ganz umsonst ist das scheckkartenähnliche Plastikstück mit einjähriger Laufzeit aber nicht zu haben. Der Standardpreis liegt bei 220 Mark, für Kinder und Jugendliche, Schüler, Studenten, Familien und über 60jährige ist die BahnCard billiger. Familien mit drei oder mehr Kindern bekommen sie zum Nulltarif.

Ein mildtätiges Werk ist die Karte dennoch nicht. Weil aus Bonn im Zeitalter von Streckenstillegungen und Privatisierung keine Zuschüsse für Marketing-Offensiven zu bekommen sind, wurde nach den Worten von Bundesbahn- Vorstandsmitglied Hemjö Klein ein „kommerzielles Angebot“ gebastelt, das vorläufig nur für die 2. Klasse gilt. Bereits 1993 sollen drei Millionen, bis 1995 fünf Millionen BahnCard-Exemplare jährlich über den Tresen gehen. Das spült nach der Kalkulation der Eisenbahner pro Jahr 200 Millionen Mark Gewinn in die leeren Kassen.

Für die Kundschaft ist die BahnCard schon ab zwei längeren Fahrten „rentabel“. Das 220 Mark teure Exemplar lohnt sich beispielsweise ab einem Jahrespensum von 2000 Kilometern zum Bundesbahn- und ab 3100 Kilometern zum Reichsbahntarif, denn die Ost- Bahnpreise liegen derzeit noch bei etwa 60 Prozent des West-Niveaus.

Mit Einführung der BahnCard wird auch der Tarifdschungel etwas gelichtet: Ab 1. Oktober sind Senioren-, Familien-, Junior- und Taschengeldpaß, Bahn-Bonus-Heft, Rosarote Streckenkarten und ein Teil der regionalen Sonderrückfahrkarten gestrichen. Vor diesem Zeitpunkt ausgestellte Rabatt-Kar-

1ten bleiben aber bis zum eingetragenen Termin gültig.

Rechenkünstler kommen nach wie vor auf ihre Kosten, denn Spar- und Supersparpreis-Ticket sind weiterhin zu haben. Sie sind zwar mit Einschränkungen verbunden — so gilt beispielsweise die Supersparpreiskarte freitags und sonntags nicht —, aber auf Langstrecken

1mitunter billiger als Halbpreiskarten. So auf Bundesbahngleisen ab 615 Kilometern (Supersparpreis) oder 832 Kilometern (Sparpreis) einfacher Strecke. Die Reichsbahn bietet diese beiden Billets nicht an. Auf „gemischten Strecken“, die mit beiden Bahnen zurückgelegt werden, hilft nur die Einzelrechnung. wer