Piano in (e)motion

■ Michele Rosewoman und Renee Rosnes, New York, pianierten in der Schauburg

Beide spielten etwa gleich lang — aber das Konzert der beiden Pianistinnen am Mittwoch abend in der Schauburg war ein deutliches Beispiel dafür, wie subjektiv Zeit empfunden werden kann. Das Soloprogramm von Michelle Rosewoman zog sich zäh dahin, während das Trio von Renee Rosnes viel zu schnell wieder aufhörte zu spielen — obwohl es schon nach Mitternacht war.

Frau Rosewoman arbeitete hart am Piano, und das ließ sie das Publikum auch spüren. Z.B. mit Kommentaren wie: „Zum Glück scheint ihnen dieses Stück gefallen zu haben, wenn nicht, hätte ich einen von ihnen aufgefordert, es besser zu spielen.“ Jeden Song packte sie voll mit virtuosen Schnörkeln und Fingerfertigkeiten, und nach einiger Zeit klang deshalb alles gleich. Obwohl ihr Repertoir sehr vielseitig war — es reichte von einer Ellingtonballade über den Souljazz der frühen 50er Jahre bis zu Eigenkompositionen mit lateinamerikanischem Flair, bei denen sie auch sang — wurde jedes Stück mit dem selben, machmal schon etwas angeberischen Eifer in Angriff genommen. Was Frau Rosewoman auf dem Piano zustande brachte, war beachtlich. Ihre immensenhandwerklichen Fähigkeiten konnte ich nur bewundern, aber ihr zuzuhören war auch schon fast Arbeit.

Frau mit

sanften Augen

Renee Rosnes

Gleich mit dem ersten Anschlag auf dem Piano machte Renee Rosnes nach der Pause deutlich, daß nun Jazz auf einem ganz anderen Niveau zu erwarten war. Ein klarer, lyrischer Ton war da zu hören, eine melodisch, elegante Introduktion, die direkt in den Song hineinführte; Bass und Schlagzeug setzten dezent und sensibel ein — wir waren in der Welt des klassischen Pianotrios. Leicht gespielt und doch mit elegischer Romantik; schöner Klang gepaart mit komplexen harmonischen Variationen. Hier wurde die virtouse Technik durch feinfühlige Musikalität aufgehoben. Larry Grenadier am Bass und Billy Drummond am Schlagzeug zeigten besonders bei den vertrackten Rhythmusverschiebungen einiger Kompositionen von Thelonious Monk, daß sie Renee Rosnes nicht nur kongenial begleiteten, sondern mit Witz und Originalität auch eigene Zeichen setzen konnten. Unter der exquisiten Auswahl von Songs fanden sich auch Stücke aus dem Repertoire ihrer Vorbilder wie Bill Evans („Sometime Ago“) oder Keith Jarrett („Blackberry Winter“), und gerade wenn man deren Versionen noch im Ohr hatte, erkannte man, daß kaum noch ein Gefälle zu diesen Meistern besteht und wie persönlich und tief Renee Rosnes sich auf dem Piano offenbaren kann.

Willy Taub