INTERVIEW
: Die Rettung des Regenwalds beginnt hier

■ Eine sinnvolle Entwicklungspolitik für die Dritte Welt muß mit der Veränderung des Denkens in Deutschland anfangen, vertritt die Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt

Die Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt (ASW), für die Arturo Mester arbeitet, wurde 1957 in Berlin gegründet und ist eine der ältesten entwicklungspolitischen Organisationen in der Bundesrepublik. Die ASW finanziert Projekte lokaler Selbsthilfeinitiativen in Indien, Lateinamerika und Afrika. Die ASW widmet sich daneben seit Jahren der Informationsarbeit und Bewußtseinsbildung über die Zusammenhänge zwischen Reichtum und Konsumanspruch der Industrieländer und Armut und Umweltzerstörung in den Entwicklungsländern.

taz: Hat die UNCED-Konferenz und der Gegenkongreß in Rio eure Arbeit verändert?

Arturo Mester: Neue Denkrichtungen für unsere Arbeit gab es nicht, weil wir seit Jahren Öffentlichkeitsarbeit zu diesen Themen machen: Was soll Entwicklungshilfe leisten? Was ist Umweltschutz? Was hat Entwicklungshilfe mit Umweltschutz zu tun? Was haben wir eigentlich für ein Naturverständnis? Wir versuchen, eine aufklärende Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Wir Europäer haben auch in der Umweltzerstörung fünfhundert Jahre zweifelhaften Vorsprung. In Europa gibt es keine Urwälder mehr. In Brasilien ist die Vernichtung der Urwälder voll im Gange.

Auch durch den Import umweltgerechter Technologie wird die brasilianische Regierung dies nicht verhindern können, solange die Industrieländer das Vorbild von »Entwicklung« liefern. Es geht um die grundsätzliche Frage, was Entwicklung ist und in wessen Interesse »Fortschritt« durchgesetzt werden soll — und wer hierfür die Kosten zahlt.

Was macht ihr hier in Berlin, um unsere zerstörerische Lebensweise zu ändern?

Wir haben im Rahmen der Regenwälderkampagne dem Staatssekretär der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Dr. Wicke, einen Forderungskatalog überreicht. Da geht es ganz konkret um die Forderung nach sofortigem Importstopp für Tropenholz in die Bundesrepublik. Es ist fahrlässig, wenn Mensch weiß, daß Frühstücksbrettchen aus Teakholz sind, und sie trotzdem kauft. Oder wenn in öffentlichen Gebäuden Fensterrahmen aus Tropenholz verbaut werden. Dieser unbedachte Konsum von Luxusartikeln führt nicht nur zur Naturzerstörung, sondern auch zur Verelendung lokaler Bevölkerung in den Regenwaldländern.

In Rio wurden Fragen aufgeworfen über die Selbstverpflichtung der Industriestaaten zur Reduktion der Umweltbelastung...

Das sind schöne Absichtserklärungen, die für die Bundesregierung nicht bindend sind — und die Länder des Südens können diese auch nicht einklagen. Daher ist es auch wichtig, daß über das Klimabündnis — Berlin ist dem Klimabündnis der Städte beigetreten — diese Absichtserklärungen überprüft und vor Ort eingefordert werden. Z.B., welche verkehrspolitische Entwicklung gerade jetzt in Berlin durchgepowert wird. Ähnliches gilt für die in Rio verhinderten, bindenden Konventionen zu Artenvielfalt und Wäldern. Da die Politiker eher die Interessen der Industrielobby vertreten, organisieren sich verstärkt die Betroffenen selber — gerade auch in den Ländern des Südens. Und da beginnt ein Teil unserer Projektarbeit. Interview: Wahid Wahdatehagh