INTERVIEW
: Die Schwerpunkte setzt der Polizeipräsident

■ Für den designierten Polizeipräsidenten Hagen Saberschinsky steht die Bekämpfung der Organisierten, der Gewalt- und der Eigentumskriminalität im Vordergrund/ Der BKA-Beamte befürwortet den Einsatz von verdeckten Ermittlern

Berlin. Am letzten Wochenende verständigte sich die CDU-SPD-Regierungskoalition auf einen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Polizeipräsidenten. Der derzeit dritte Mann im Bundeskriminalamt in Wiesbaden, Hagen Saberschinsky, soll Mitte September vom Abgeordnetenhaus gewählt und Nachfolger von Georg Schertz werden. Die taz befragte den 52jährigen gebürtigen Berliner zu seinen Vorstellungen von seiner zukünftigen Arbeit.

taz: Herr Saberschinsky, sind Hütchenspieler für Sie ein kriminalpolizeiliches Problem?

Hagen Saberschinsky: Es ist sicher nicht das zentrale Problem der Polizei, aber auch ein Problem.

Ihr Vorgänger, Herr Schertz, war der Ansicht, daß es Aufgabe des Innensenators sei, die Schwerpunkte der Kriminalpolitik festzulegen. Dieser These hat Herr Heckelmann immer widersprochen: Wer hat denn Ihrer Meinung nach die Richtlinienkompetenz?

Es ist die Polizei, die erst einmal klarzumachen hat, wo die Schwerpunkte zu setzen sind, und das sollte man unter bestimmten Voraussetzungen da, wo es erforderlich ist, mit der politischen Ebene auch einmal erörtern. Ich sehe das in allererster Linie als eine Angelegenheit der Polizei an.

Wo setzen Sie die Schwerpunkte der kriminalpolizeilichen Arbeit in Berlin?

Ich habe schon den Eindruck, daß sich im Bereich der Eigentumskriminalität, der Gewaltkriminalität und der Organisierten Kriminalität in Berlin bereits einiges festgesetzt hat.

Die Organisierte Kriminalität war Ihr Arbeitsgebiet im Bundeskriminalamt. Wie werden Sie Ihre dort gemachten Erfahrungen in Ihre neue Tätigkeit einbringen?

Meine dortigen Erfahrungen zeigen, daß das Miteinander der vorhandenen Kräfte, der an der Strafverfolgung beteiligten Institutionen, nicht nur bezogen auf Berlin, sondern national und gegebenenfalls international, eine wichtige Sache sind. Man darf Berlin, was die Kriminalität anbelangt, nicht als einen eigenständigen Raum sehen, sondern als Bestandteil Deutschlands und des internationalen Verbundes.

Heißt das, daß Sie stärker auf die Zusammenarbeit mit dem BKA setzen werden?

Eine Zusammenarbeit mit allen nationalen Behörden und auch im internationalen Bereich.

Unter Ihrer Federführung stand auch die Rauschgiftbekämpfung des Bundeskriminalamtes. Wie stehen Sie zur Legalisierung weicher Drogen?

Dieser Forderung stehe ich sehr skeptisch gegenüber. Die Polizei hat allerdings in diesem Bereich nur eine Teilaufgabe zu erledigen und einen gesetzlichen Auftrag zu vollziehen ...

... Deshalb frage ich Sie nach dem Sinn des Gesetzes. Die Entkriminalisierung kann auch dazu dienen, die Polizei zu entlasten, damit sie sich auf wesentlichere Bereiche konzentrieren kann.

Eine solche Behauptung ist schnell aufgestellt, aber schwer zu beweisen. Davon bin ich nicht so überzeugt.

Die Rauschgiftbekämpfung, auch des BKA, gleicht dem Kampf gegen Windmühlenflügel. Liegt es an der rechtlichen Grundlage oder an den Einsatzmitteln?

Bezogen auf den Teilauftrag, den die Polizei bei der Rauschgiftbekämpfung zu erfüllen hat, meine ich sehr wohl, daß das bestehende rechtliche Instrumentarium unzureichend ist.

Worum müßte es erweitert werden?

Zum Beispiel im Bereich der Möglichkeiten, technische Mittel einzusetzen.

Im jüngst beschlossenen Berliner Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) sind die Möglichkeiten des Einsatzes verdeckter Ermittler erheblich erweitert worden. Ist das für Sie ein probates Mittel der Kriminalitätsbekämpfung?

Verdeckte Ermittler sind nicht das Mittel schlechthin, aber eines der Mittel, auf das man nicht verzichten kann und auch nicht sollte.

Sehen Sie auch die Gefahr eines Mißbrauchs?

Es besteht überall die Gefahr, daß bestimmte Instrumentarien mißbraucht werden. Das ist eine Aufgabe der Dienst- und Fachaufsicht, die gerade in diesem Bereich erfolgen muß. Dennoch ist es nie auszuschließen, daß auch ein solches Instrumentarium möglicherweise einmal mißbraucht wird.

Nach 18 Jahren geschlossener Einheiten erhält Berlin nun wieder eine Bereitschaftspolizei. Die geschlossenen Einheiten wurden häufig als Mädchen für alles gebraucht, weshalb sie im Ernstfall selten mit voller Mannschaftsstärke ausrückten. Wozu werden sie die Bereitschaftspolizei verwenden?

Ich halte die Bereitschaftspolizei auch für Berlin für eine sinnvolle Einrichtung, weil hierdurch ein gewisses Personalreservoir für mittelgroße und große Lagen zur Verfügung steht. Zudem bedeutet es eine gute Möglichkeit der Nachwuchswerbung für die Polizei, weil man eine ganze Reihe von Anreizen bieten kann.

Befürchten Sie nicht, daß mit den geschlossenen Einheiten wieder ein Corpsgeist in der Polizei Einzug hält?

Einen Corpsgeist in vernünftigen Bahnen halte ich nicht für etwas Negatives. Sicher wird man darauf zu achten haben, daß es keine Negativauswüchse gibt. Aber ich halte diese Gefahr für relativ gering. Ich denke, daß unter dem Aspekt des Gemeinsinns und der wohlverstandenen Kameradschaft eine ganze Menge positiver Ansätze zu finden sind.

Es ist in Berlin lang geübte Tradition, hohe Posten in der Polizei nach Parteienproporz zu vergeben.

Ich werde bemüht sein, den von der fachlichen Seite her geeigneten Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit des Aufstieges zu geben. Die personellen Probleme bei der Polizei sind so gewaltig, daß man es sich nicht erlauben kann, etwa Leute auf Posten zu setzen, die nicht den fachlichen Anforderungen entsprechen. Dem würde ich heftigst widersprechen, und ich werde auch darauf bestehen.

Sie wurden allerdings selber bereits in CDU- Nähe verortet.

Das läßt sich kaum vermeiden, weil ich ein Vorschlag des Innensenators Heckelmann bin, und Herr Heckelmann gehört nun mal der CDU an, so daß man einfach damit rechnen muß, in dieser Ebene angesiedelt zu sein. Aber ich habe ja bereits gesagt, daß ich parteilos bin, und ich bewahre mir damit einen Schuß Unabhängigkeit. Interview: Dieter Rulff