DIE KLEINE MEDIENPRAXIS — FRAU DR. MONIKA ÜBER VERGESSENE FRAGEN

Haben Sie in den letzten Tagen auch mit unguter Spannung die Bilder aus Rostock verfolgt? Natürlich. Denn die Medien waren ja, anders als Polizei und Feuerwehr, immer live dabei. Nach fünf Tagen „Ausländerklatschen“, massenhaftem „Deutschland den Deutschen“-Gebrülle, schamlosem Politikergeschwätz und gebetsmühlenhaftem Abscheubekunden vor laufender Kamera stellen sich nun einige Fragen.

Warum hat RTL schon am ersten Krawalltag abends seine laufenden Sendungen unterbrochen, um aktuell über die Vorgänge in Rostock-Lichtenhagen zu berichten, während ARD und ZDF den Skandal noch in ihren normalen Nachrichtensendungen versteckten? Und warum war das Thema für die Kölner Privatfunker am Dienstag abend, dem Tag nach dem mörderischen Fascho-Angriff auf das Asylbewerberheim, schon nicht mehr magazintauglich? In „Explosiv“ entrüstete man sich statt dessen über die bösen Hundefleisch verzehrenden Schweizer (igitt!).

In der Zwischenzeit hatten ARD und ZDF ihr „Spezial“ beziehungsweise „Brennpunkt“-Thema gefunden. Warum aber fällt Peter Gatter zum Abschluß eines Interviews, das er mit den tapferen ZDF-Kollegen, die stundenlang in dem brennenden Asylbewerberheim eingeschlossen waren, nichts Besseres ein, als „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“? Warum darf ein Ministerpräsident die faschistischen Rostocker Exzesse unwidersprochen mit Demos in Brokdorf, der Startbahn West oder der Hafenstraße vergleichen? Und wo bleibt die Nachfrage, seit wann sich der Staat dem Druck von Extremisten beugt?

Warum weist kein Journalist den Innenminister zurecht, der bedenkenlos von „rechten und linken Autonomen“ redet, die mit ihrer „Guerillataktik“ das Ausländerheim angriffen? (Zufällig waren es linke Autonome, die den 120 eingeschlossenen Vietnamesen zu Hilfe eilten, während der Polizeidirektor schlief!)

Warum fragt kein Reporter nach dem Kalkül, das hinter einer Polizeitaktik steckt, die nach Greifswald und nach Hoyerswerda nur zwei schlappe Hundertschaften vor dem bedrohten Heim postiert, obwohl der rechtsradikale Angriff lange angekündigt war — sogar in der Lokalzeitung?

Warum ist keiner der „Brennpunkt“-Macher auf die Idee gekommen, den geifernden Ossis, die sich über die „schmutzigen Zigeuner“ aufregen, Bilder der deutschen Botschaftsflüchtlinge von 1989 zu zeigen? (Waren das nicht auch Wirtschaftsflüchtlinge, die sich da auf engstem Raum im Botschaftsgarten drängten und hin und wieder auch in die Büsche pißten?)

Nein, natürlich haben die Medien nicht völlig versagt. Da gab es auch ein mutiges Team von „KennzeichenD“, das in seinem emotionsgeladenen TV-Beitrag keinerlei Verständnis für die Geschehnisse aufkommen ließ. Und der Kommentator des Hamburger Abendblatt, beileibe kein linksliberales Organ, bemerkte empört: „Wer den verantwortungslosen, weil rechtlich nicht überprüfren Satz vom ,Mißbrauch des Asylrechts vorwiegend durch Sinti und Roma‘ ausspricht, stützt den Chor jener, die den haßerfüllten Steinewerfern applaudieren.“ Diesen Satz hätten wir gerne aus dem Munde von Frau Bütow oder Herrn Jauer gehört, als sie den Kanzler befragten.

Erschüttert