SPD ,verfeinert‘ Programm

■ Schon wieder eine Klausur/ Asylrechtsbeschluß soll festgeklopft werden/ „Grundlinie bleibt“

Berlin (taz) — Eine Woche nach der Kursänderung der SPD in Sachen Asylrecht befindet sich die Partei seit gestern erneut in Klausur. „Verfeinerungsarbeiten“ am sogenannten Sofortprogramm soll die Projektgruppe „Deutschland 2000“ leisten. Zwar steht die Finanz- und Wirtschaftspolitik ganz oben; doch Stoff für „Verfeinerungen“ bietet insbesondere der Beschluß zur Asylrechtsänderung. Nach den Rostocker Exzessen drückt die Union. Deshalb bringt das Einlenken im Asylstreit für die SPD nicht die erhoffte Entlastung — ganz im Gegenteil: Der Erwartungsdruck auf die SPD ist nach der prinzipiellen Zustimmung eher weiter gewachsen. Gleichzeitig aber muß die SPD-Führung ihre Kurskorrektur nicht nur in der Partei vermitteln; sie muß auch den Eindruck vermeiden, als wolle sie jetzt — im Gleichklang mit der Union — die Rostocker Ereignisse dafür nutzen, um die Einschränkung des Asylrechtes schnell über die Bühne zu bringen.

Klärungsbedarf gibt es vor allem in sachlicher Hinsicht. Da ist zum einen der Widerspruch, daß die SPD auch nach der Petersberger Klausur das „individuelle Grundrecht“ auf Asyl „voll erhalten“ wissen will. Kernstück des Beschlusses aber ist die Entlastung des Asylverfahrens durch Ausschluß derjenigen Bürger eines Landes, in dem „politische Verfolgung derzeit nicht stattfindet“. Beides — individuelles Grundrecht und pauschaler Ausschluß anhand der Liste sogenannter Nichtverfolgerstaaten — geht schwer zusammen. Um diesen Widerspruch abzufedern findet sich im Petersberger Beschluß dann auch die Ausnahmeregelung: Wer „spezifische individuelle Verfolgungsgründe“ — also Verfolgung in einem sogenannten Nichtverfolgerland — „glaubhaft vortragen“ kann, kommt doch in den Genuß des Asylrechtes. Doch mit der Ausnahmeregelung ergibt sich ein weiteres Problem: Wer entscheidet, ob der Antragsteller aus einem „Nichtverfolgerland“ dort doch verfolgt wurde? Der Bundesgrenzschutz? Oder findet die Klärung im Rahmen des regulären Verfahrens statt, was faktisch die Rückkehr zur bisherigen Praxis bedeuten würde? Hier müsse, so Blessing noch ein geeignetes Verfahren entwickelt werden, das allerdings nicht so intensiv sein könne wie die reguläre Individualprüfung. Dennoch — so Karlheinz Blessing — „die Grundlinie stimmt“. Auch von Seiten der Union gebe es Signale, über das SPD-Gesamtpaket zur künftigen Einwanderung zu reden. Eindringlich warnt Blessing die Union, die avisierte Asylrechtsänderung jetzt als Wendepunkt bei der Einwanderungsentwicklung zu verkaufen. Bei der Asylrechtsänderung gehe es lediglich um die „Unterscheidung zwischen berechtigten und unberechtigten Aufenthalten“. Doch an der Gesamttendenz wachsender Zuwanderung werde sich nichts ändern. Wer jetzt, in der angeheizten Situation nach dem Rostocker Ausbruch, den Leuten suggeriere, die Grundgesetzänderung bedeute Reduktion der Zuwanderung, betreibe ein gefährliches Spiel. eis