Kettenhemd auf Sendung

■ Das Hamburger Institut Frauen und Technik richtet für das interaktive Fernsehen der documenta 9 die "Penisneidspiele" aus

richtet für das interaktive Fernsehen der documenta 9 die „Penisneidspiele“ aus.

Leider vorläufig zum letzten Mal haben Fernsehzuschauer, die über ein Faxgerät, ein Tastentelefon, oder ein Stimm-Modem verfügen, die Gelegenheit, sich an den ersten offiziellen Spielen über den Dualismus der Geschlechter zu beteiligen: Die „Penisneidspiele“ sind der Beitrag des Hamburger Instituts Frauen und Technik zum Programm von Van Gogh TV, dem interaktiven Fernsehen von der documenta 9.

Van Gogh TV sendet täglich stundenweise über den Kabelkanal 3sat von der „Piazza Virtuale“ aus Kassel. Im Laufe der documenta wurden weltweit in verschiedenen Städten kleinere „Piazettas“, das heißt Sendeplätze gegründet. Die Piazetta Hamburg wurde im August von Frauen und Technik gestaltet, eine Gruppe von neun Künstlerinnen, die sich im Februar 92 formierte. Alle sind Studentinnen oder Absolventinnen der hiesigen Hochschule für bildende Künste in den Fachbereichen freie Kunst oder visuelle Kommunikation.

Ihr Ziel ist es, Theorien über die Erscheinungen der digitalisierten Kultur praktisch umzusetzen. Hierzu erforscht das Institut nicht nur das Fernsehen, sondern sämtliche Kommunikationsmodelle und Medien, dazu gehört auch die Organisationsform als Instiut und das Verteilen von Werbegeschenken. Dabei geht es auch um die Rolle der Künstlerin im Zeitalter der medialen Vernetzung. „Penisneid ist das, was Frauen oft unterstellt wird, wenn sie zum Beispiel als Künstlerinnen mit neuen Medien, wie Computer oder Video arbeiten,“ erklärt Lore Piatkowski.

In den bisherigen Sendungen wurden diverse Spielformen erprobt. Es war nicht leicht, für das komplexe Thema Geschlechterrollen eingängige Bilder zu finden, mit denen die Zuschauer spielen können. In „Kettenhemd der Liebe“ führen eine Frau und ein Pseudo- Mann, live gespielt von Frauen und Technik, einen Kampf, bei dem sie aneinandergebunden sind.

In einem anderen Spiel fragt eine resolute Moderatorin die Anrufer zunächst, ob sie als Mann oder als Frau mitspielen wollen und fordert anschließend dazu auf, eine Geschichte zu erzählen, in der die Begriffe „Penisneid“ und „Monotheismus“ nicht vorkommen dürfen. Dieser Spieltyp sagt am meisten über die Machtverhältnisse im Fernsehen aus, denn die Moderatorin schafft es stets, alles so zu drehen, daß einer der Begriffe doch benutzt wurde. Aber: der Verlierer erhält eine Belohnung.

Die einfachste und lustigste Spielform, die morgen in erweiterter Form als „Weltraumspiel“ gesendet wird, besteht darin, Begriffsbilder, die die Institutsdamen live erzeugen in „Töpfchen“ einzuordnen. Welche Titel diese „Töpfchen“, die als Computeranimation auf dem Bildschirm erscheinen, tragen werden, sei hier noch nicht verraten. Sicher ist, daß dieses Spiel nicht nur eine Mordsgaudi ist, sondern daß Wort- und Begriffsklischees zur Sprache kommen. Julia Mummenhoff

„Penisneidspiele“: Samstagnacht ab 1.30 Uhr u. Sonntagmorgen ab 11 Uhr in der Sendung „Piazza Virtuale“, 3sat