Konzertbühnen vor dem Boykott

■ Konzertveranstalter und Veranstaltungsstätten streiten um dreistellige Millionenbeträge

Das Menetekel Berlins, »Posemuckel«, droht auf den Konzertbühnen der Stadt zu erscheinen. Frank Sinatra, James Brown, Paul McCartney, sie alle werden im nächsten Jahr einen Bogen um die deutsche Hauptstadt machen. Der Grund, den sie selber nicht einmal erfahren werden: Das Berliner Pflaster ist zu teuer geworden. Konzertveranstalter und Veranstaltungsstätten liegen in Fehde um die Neuverteilung eines Kuchens, dessen Umfang dreistellige Millionensummen erreicht. Die Agenturen, so Marktführer Peter Schwenkow, haben bereits zum Boykott aufgerufen.

Er schätzt, daß mindestens 120 Millionen Mark pro Jahr in der Stadt für Rock- und Popkonzerte ausgegeben werden. In diese Summe ist der Nutzen, den die Berliner Wirtschaft aus diesem Volksvergnügen zieht, noch nicht einmal eingerechnet. Die BVG kassiert allein bei Schwenkows Veranstaltungen mehr als 500.000 Mark. Wenn jeder Konzertbesucher nur ein Bier trinkt, ergäbe das schon mindestens 12 Millionen Mark für die Schankwirtschaft. In den anderen Bundesländern, so klagt Schwenkow, habe man diesen volkswirtschaftlichen Faktor bereits erkannt.

Eine solche Flexibilität, wie er sie auch in Hannovers Veranstaltungsstätte Niedersachsenstadion ortet, vermißt Schwenkow bei den Berliner Verantwortlichen. Von denen werde man nur »in die Zange genommen«. Statt zu fördern, werde nur abkassiert, dabei sei das Rockbusineß mindestens genauso bedeutend wie die Filmbranche — und die werde reichlich alimentiert.

Was Schwenkow und die anderen Konzertveranstalter auf die Palme getrieben hat, ist die jüngste Erhöhung der Miete für die Deutschlandhalle. Statt wie bislang 32.000 Mark Fixum pro Abend, will der Hallenbetreiber AMK ab 1. Januar 1993 20Prozent der Einnahmen kassieren. Bei einem ausverkauften Haus wären das immerhin bei 40 Mark pro Karte rund 80.000 Mark. Schwenkow schimpft über eine Verdreifachung der Miete, AMK-Sprecher Gerd Fenske hingegen betont, daß »wir dabei ein prozentuales Risiko auf uns nehmen«. Dieses hat allerdings seine Grenze bei den 32.000 Mark. Sollte der prozentuale Erlös niedriger liegen, kassiert man diesen Festbetrag. Schwenkow klagt, daß damit die Deutschlandhalle ihre Monopolstellung als einzige Veranstaltungsstätte Berlins mit mehr als 2.500 Zuschauerplätzen ausnutze. Fenske verweist im Gegenzug darauf, daß man sich dem angleiche, »was international üblich ist«. So werden in Oslo ebenfalls 20 Prozent gefordert, in Basel 15 Prozent und in der Münchner Olympiahalle 17 Prozent. Zudem biete man für den Preis auch eine Reihe von Leistungen, vom Kartenverkauf bis zum Reinigungsdienst. Eine Subventionierung der Veranstaltungen kann man sich nicht mehr leisten, die AMK ist seit 1992 darauf angewiesen, schwarze Zahlen zu schreiben. Die Zuwendungen des Senats an sein Unternehmen wurden 1991 wegen der angespannten Haushaltslage eingestellt. Die Veranstalter ficht eine solche Summe von Argumenten wenig an. Immerhin, so halten sie dagegen, sei die Deutschlandhalle für Konzerte nicht besonders attraktiv. Außerdem ist mit dem allmählich üblichen Kartenpreis von 50 Mark in Schwenkows Augen der Break-even-point erreicht, jenseits dessen der Zuschauerzuspruch und damit die kalkulierbare Einnahme nicht mehr gewährleistet ist. Die einzige Möglichkeit, dieses Preislimit zu halten, sieht er in der Begrenzung der Hallenmieten. Kenner der Szene meinen allerdings, daß diese Grenze nicht erreicht sei und Schwenkow den öffentlichen Wirbel veranstalte, um seine Pfründe zu sichern. Und die sind nach wie vor üppig. Immerhin hat ihm der zuständige Sportsenator Jürgen Klemann erst vor vier Monaten das Quasimonopol auf die Nutzung der Waldbühne zugesprochen. Andere Agenturen können dort nur in Abstimmung mit ihm Auftritte veranstalten. Zwölf Open-air-Konzerte sind dort pro Jahr gestattet, für jedes kassiert das Land als Vertragspartner 10 Prozent der Einnahmen, mindestens jedoch 25.000 Mark. Den gleichen Prozentsatz wollte die Oberfinanzdirektion als Eigentümerin für den jüngsten Berliner Veranstaltungsort, das Maifeld, einstreichen. Doch Schwenkow war andere Gewinnspannen gewohnt. Als die britischen Alliierten den Rasen im Mai aus ihrer besatzungsrechtlichen Oberhoheit entließen, veranstalteten sie ein Quasi-Abschiedskonzert. Leider vergaßen sie in all ihrer Freundlichkeit, Miete für den Auftritt von Genesis zu kassieren. Eine Summe von schätzungsweise 500.000 Mark floß so in die Kassen von Schwenkows Concert-Concept GmbH. Als die Neueignerin des Geländes, die Oberfinanzdirektion, von dieser Art verdeckter Subvention Wind bekam, beschloß sie sofort, eine Miete von 10 Prozent zu erheben. Schwenkow zog daraufhin mit seinem Michael-Jackson-Konzert, das für den 4. September geplant ist, nach Ost-Berlin, weil ihm der Mietzins zu teuer sei. In der Branche mutmaßt man hingegen, daß sich Michael Jackson schlecht verkaufe.

Der Profit bestimmt letztendlich auch die Auseinandersetzung um die Deutschlandhalle. Durch den Boykott wolle Schwenkow öffentlichen Druck ausüben, denn, so weiß Hallenchef Sally Rothholz zu berichten, er habe bereits für den März 1993 eine Buchung von Concert-Concept erhalten. Das Konzert sei auf Basis der neuen Mietpreisliste dieser Tage vereinbart worden. Dieter Rulff