■ AUS POLNISCHER SICHT
: SS-Kartoffelschäler

Eigentlich wollte ich manifestativ zu den Rostocker Ereignissen schweigen, weil es nicht mein Bier ist, über die Deutschen ein Urteil zu fällen. Nachdem ich aber Monika Marons Text über die ekelhaften Ossis im Spiegel gelesen habe (er hat mir übrigens sehr gut gefallen, vielleicht deswegen, weil ich ostdeutsche Schriftstellerinnen so hoch schätze), möchte ich mich doch in einigen Sätzen zu dem ostdeutschen Problem äußern: Ich habe immer nur gute und sehr gute Erfahrungen mit den sogenannten »Ossis« gemacht. Erstens habe ich unter ihnen viele Freunde, sie sind herzlich, intelligent, einfallsreich, sympathisch, unkonventionell. Zweitens stoße ich bei den Ostdeutschen immer wieder auf Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit: zum Beispiel während des BVG-Streiks, als ich die Stadt (den Westteil!) mehrmals per Anhalter durchqueren mußte, waren die meisten Fahrer, die mich mitgenommen haben, entweder Ostberliner oder Ausländer.

Ich verstehe Monika Maron: Meine Gefühle, wenn ich die betrunkenen polnischen Zigarettenhändler in Deutschland sehe — all die Betrüger, Diebe, Schmuggler — liegen auch in dem Bereich zwischen Kotzen und Haß, nur — wir dürfen nicht wie die jüdischen Antisemiten werden, uns zu denjenigen erklären, die über diesem Niveau schweben und unsere Herkunft von dieser »primitiven Rasse« leugnen. Leider gehört genauso Monika Maron zu den ehemaligen DDR-Bürgern, wie ich ein Pole bin, die Pogrome in Rostock und die Ausschreitungen des Mobs in polnischen Orten, wo man für HIV-positive Kinder ein Heim etablieren wollte, gehen uns deswegen genauso schmerzlich an. Wir schämen uns, versuchen etwas gegen die Gewalt und für die Opfer zu tun, aber genauso wie Thomas Mann von Adolf Hitler »mein Bruder« geschrieben hat, müssen wir zugeben, daß diese schrecklichen Biedermeier und Feuerleger unsere Brüder und Schwestern, ja unsere siamesischen Zwillinge sind, von denen wir uns nicht trennen werden können. Die deutsche Schizophrenie hat in der Wiedervereinigung eine Zusammennähung von zwei getrennten Teilen der nationalen Persönlichkeit erfahren, das wirklich Rätselhafte an dieser Sache ist, daß keiner von beiden zugibt, ein Mr. Hyde zu sein.

PS: Mein Vater hat vor dem Krieg, ja sogar während der Besatzung, eigentlich nur anständige und sympathische Deutsche kennengelernt. Erstaunlicher noch: sein Bruder, der in Auschwitz und Bergen-Belsen fünf Jahre saß, erinnerte sich an die Zeit im Konzentrationslager (er war Dolmetscher und deswegen von gewissem Wert — etwa wie eine Schreibmaschine — was ihm das Leben gerettet hatte) mit einer Art schwarzem Humor. Ich erinnere mich an eine Männergesellschaft, sie kochten einmal gemeinsam ein Festmahl, und dabei lachten sie wie Verrückte, als einer seine Kochkunst des »SS-Kartoffelschälers« gepriesen hat. Mein Deutsch wird wahrscheinlich nie gut genug werden, deshalb übe ich das Kartoffelschälen. Piotr Olszowka