Willfähriger Vollzugsgehilfe der Macht

■ Der thüringische Innenminister und CDU-Landesvorsitzende Willibald Böck trat zurück

Willfähriger Vollzugsgehilfe der Macht Der thüringische Innenminister und CDU-Landesvorsitzende Willibald Böck trat zurück

Es gibt Zeiten des Jubels und des Jammers. Daß sie in diesem Land so dicht beieinander liegen, hätte niemand für möglich gehalten.

Das Jauchzen war gesamtdeutsch, die Larmoyanz aber, glaubt man den westlichen Brüdern und Schwestern, ist eine rein ostdeutsche Qualität.

Der deutsche Jubel hatte Namen, der Jammer hat sie ebenfalls. U.a. Willibald Böck. Wobei er stets gejubelt haben mag, auf jeder Etappe seines unaufhaltsamen Aufstieges; Lehrer, Bürgermeister, Grenzhelfer der DDR-Grenztruppen. Die von ihm mitbehütete Mauer fiel — und Willi, der Hammer, legte nun erst richtig los. CDU-Landesvorsitzender und Innenminister, schon in zwei Thüringer Regierungen. Unverzüglich auch die Skandale. Ungeniertes Protegieren eines schwer belasteten Polizeioffiziers, Raststättenaffäre, Bestechungsgelder, eine Palastintrige nach der anderen.

Schließlich, Willi, der Königsmacher. Bernhard Vogel war des Hammers Wunschkandidat. Es bleibt Böcks wahrscheinlich einziges Verdienst, den lächelnden Pfälzer nach Thüringen geholt zu haben. Die Alternative zu Vogel wäre der Thüringer Bergmann-Pohl-Verschnitt Christine Lieberknecht gewesen. Dieser Jammer aber ist uns, Böck sei Dank, erspart geblieben. Jeder andere nicht.

Böcks Rücktritt kommt um Zeiten zu spät. Ihm, wie kaum einem anderen ostdeutschen Politiker, ist jene Situation, jener Hoffnungsschwund im Lande, geschuldet. Die galoppierende Resignation und, jawohl, auch jener Jammer, der die Menschen immer stärker heimsucht. Aber eben nicht wegen der Fleischtöpfe, die sich etwas langsamer füllen. Politiker wie Böck tragen die Verantwortung für das immer schlechter werdende Klima. Er ist einer der gewichtigsten Beweise für Unzählige, daß sich die große historische Anstrengung des Herbstes 1989 und des folgenden Jahres nicht gelohnt hat. Nichts charakterisiert jenen Mann mehr als jener Satz: „Ich bin eine Altlast.“ Er hätte es nicht zu sagen brauchen. Die Menschen wußten es ohnehin und litten darunter. Unter ihrer Ohnmacht und dem Bewußtsein, daß es nun wieder einmal nichts wird in Deutschland mit einer wirklichen, geistigen, moralischen Erneuerung, mit einem Aufbruch in die Zukunft.

Die Gies, Duchacs, Krauses, Böcks standen einer solchen Entwicklung von Anfang an und in voller Absicht im Wege. Man hat sich ihrer ungeniert bedient. Willfährige Vollzugsgehilfen erst der alten, dann der neuen Macht. Das Scheitern der so großen und schönen Hoffnungen aller Deutschen ist in besonderem Maße ihr Werk. Je nach politischem Handlungsbedarf wurden sie nach oben befördert und steigen jetzt wieder ab.

Resümée. Welch ein Glück, daß jener Raststättendeal so dilettantisch eingefädelt war, sonst hätten wir den machthungrigen Eichsfelder Schulmeister niemals losbekommen. So aber mußte er nun endlich gehen. Henning Pawel, Erfurt