Nahost: Kein Grund zum Optimismus

Die arabisch-israelischen Verhandlungen sind erneut festgefahren/ Israels Militärverordnungen in den besetzten Gebieten sollen während der Autonomie „Rechtsgrundlage“ bleiben  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die Euphorie, die mit der Wiederaufnahme der bilateralen israelisch- arabischen Nahostgespräche in Washington erzeugt wurde, ist bereits verflogen. Trotz der vielgepriesenen konstruktiven Atmosphäre, die israelische Delegierte neuerdings verbreiten sollen, sind die Gespräche immer noch so festgefahren wie am Ende der fünften Verhandlungsrunde im Juni.

Dies gilt vor allem in den israelisch-palästinensischen Gesprächen. Eine der umstrittensten Grundsatzfragen in den Autonomie-Verhandlungen betrifft die Ermächtigungsgrundlage und die Kompetenz des zu wählenden palästinensischen Selbstverwaltungsrats. Auch in der Frage, nach welchem Rechtssystem dieser Rat seine Entscheidungen treffen soll, prallen völlig entgegengesetzte Vorstellungen aufeinander. Nach israelischen Vorschlägen soll die jetzt bestehende „Rechtsordnung“ in den besetzten Gebieten weiterhin gelten, also das von israelischen Militärverordnungen ausgehöhlte jordanische Rechtssystem unter Einschluß eben jener 2.500 Bestimmungen, die die Besatzungsbehörden seit 1967 erlassen haben. In diesem Rahmen soll der palästinensische Selbstverwaltungsrat handeln und lediglich ermächtigt sein, zusätzliche ausführende Bestimmungen zu erlassen. Die Palästinenser hingegen fordern, daß das Selbstverwaltungsorgan gesetzgebende Kompetenz haben muß. Genau dies will die israelische Regierung unter allen Umständen verhindern, weil sie darin ein Vorstadium für eine zukünftige palästinensische Staatlichkeit sieht. Die Mitglieder der israelischen Delegation versuchen jetzt, die Palästinenser dazu zu bringen, die Diskussion solcher Grundfragen zugunsten „praktischer“ Fragen über die Einführung der Autonomie zurückzustellen.

Um die palästinensische Delegation kooperativer zu machen, hat die israelische Regierung zugleich beschlossen, jetzt doch eine Reihe von „Gesten des guten Willens“ einzuleiten. Zum Beispiel werden in den besetzten Gebieten jene Barrikaden aus Beton-gefüllten Tonnen beseitigt, mit denen israelische Militärs Nebenstraßen in palästinensischen Städten und Flüchtlingslagern versperrten, um Siedler und Soldaten vor steinewerfenden Kindern zu schützen. Diese zahlreichen Blockaden sind mittlerweile vor allem für die Militärpatrouillen selbst zum Hindernis geworden, wenn sie in die palästinensischen Flüchtlingslager oder Wohnviertel eindringen wollen. Eine andere „Geste des guten Willens“ besteht in der Erlaubnis, Wohnungen und Häuser wieder bewohnbar zu machen, die vom Militär als Strafmaßnahme vor mehr als fünf Jahren zugemauert wurden. Dies betrifft keine Häuser, die während der Intifada versiegelt wurden.

Ähnlich selektiv verfährt man bei der geplanten Entlassung von 800 der über 12.000 palästinensischen Häftlinge. Nur wer mehr als zwei Drittel der Strafe abgesessen habe, kein „Sicherheitsrisiko“ darstellt und nicht wegen „gewalttätiger Handlungen“ im Rahmen der Intifada verurteilt wurde, soll freigelassen werden. Außerdem wurde das Mindestalter für Palästinenser, die ohne besondere israelische Genehmigung aus den besetzten Gebieten nach Israel fahren dürfen, von 60 auf 50 Jahre herabgesetzt. Gleichzeitig werden jüngeren Palästinensern, die in Israel arbeiten, die dafür notwendigen Einlaßkarten für die Dauer von sechs Monaten abgenommen, wenn ein israelischer Polizeivermerk in ihren Akten aufzufinden ist. Worauf sich der Vermerk bezieht, ist unerheblich. Zu den „Gesten“ zählt außerdem die Entscheidung des Verteidigungsministers, die Anfang des Jahres beschlossenen Deportationsbefehle gegen elf Palästinenser in Administrativhaft (d.h. Haft ohne Verfahren) umzuwandeln. Ministerpräsident Rabin erklärte, die Deportation habe viel von ihrer abschreckenden Wirkung eingebüßt. Trotzdem behält sich die Regierung vor, von dieser Strafmaßnahme weiterhin Gebrauch zu machen.