„Blackophobia“ — Die Angst vorm schwarzen Mann

Wie Ellen Jandrucko aus Florida nach einem Überfall erkrankte und von ihrer Firma 50.000 Dollar forderte  ■ Aus Washington Andrea Böhm

„Hast du Angst vor schwarzen Männern?“ fragt meine Freundin Clarice eines Morgens beim Frühstück — noch bevor ich überhaupt aufnahmefähig bin. Allein das Wort „schwarz“ bleibt irgendwo in meinem Hirn hängen, verbunden mit dem Bedauern, daß dieses Adjektiv auf den allmorgendlichen Kaffee in diesem Land nie zutrifft. Weil ich hartnäckig die Antwort verweigere, fährt sie ungerührt fort. „Wenn ja, läßt sich damit eine Menge Geld machen.“ Mit der Gabel, die gerade noch im Käseomelett steckte, fixiert sie einen Artikel in der Zeitung. Die Stirnfalten lassen eine ernsthaftere Diskussion befürchten. Es geht, kurz gesagt, um Ellen Jandrucko aus Florida — und einen ausgemacht scheußlichen Vorfall aus dem Jahr 1986. Da wurde Ellen Jandrucko eines Abends auf einem Parkplatz in Miami zusammengeschlagen und ausgeraubt. Wie die meisten Opfer von Raubüberfällen hat sie nicht nur materiellen und physischen Schaden davongetragen, sondern auch psychischen: Weil der Täter ein Schwarzer war, gerät Ellen Jandrucko seitdem beim Anblick eines schwarzen Mannes in Panik.

Nun kann man, wenn man unter Klaustrophobie leidet, bedrohlichen Situationen wie Fahrstuhlfahren entgehen, indem man das Treppenhaus benutzt. Im Fall von „Blackophobia“, wie Clarice das Leiden von Ellen Jandrucko getauft hat, geht das nicht so einfach. Denn Ellen Jandruckos Arbeitgeber, die Fotofirma „Colorcraft“, hat sogar mehrere schwarze Angestellte männlichen Geschlechts.

Ellen Jandrucko meint, aufgrund ihrer Phobie ihren Arbeitsplatz nicht mehr betreten zu können. Das haben ihr mehrere Ärzte des Staates Florida bestätigt. Weil der Raubüberfall passierte, als sie für ihre Firma im Dienst war, soll diese 50.000 Dollar zahlen — eine Art Erwerbsunfähigkeitsrente. Dagegen prozessiert die Firma und Clarice drückt ihr alle verfügbaren Daumen. „Soll sie doch nach Rejkjavik ziehen“, schnaubt sie, die Gabel immer noch in die Zeitung gebohrt. Der eben erwähnte Kaffee tut endlich seine Wirkung. Ich bin also replikfähig. „Nimm wenigstens zur Kenntnis, daß die Frau Angst hat — und das nicht ohne Grund.“ — „Diese verdammte Phobie hätte sie nicht gekriegt, wenn der Täter ein Weißer gewesen wäre. Und wenn, dann hätte der Richter ihr einen Psychiater besorgt.“ Dem ist allerdings nichts entgegenzusetzen. Wir gehen zum „worst case scenario“ über: Ellen Jandrucko gewinnt durch alle Instanzen und kriegt ihre Entschädigung. „Blackophobia“ wird offiziell als Grund für Arbeitsunfähigkeit anerkannt. „Dann muß man sich die Strategie eben subversiv zunutze machen“, sage ich. Mir schwebt eine entsprechende Zivilklage der Frauen vor, die auf dem Weg zum Arbeitsplatz, am Arbeitsplatz oder auf dem Weg nach Hause sexuell angegegriffen oder vergewaltigt worden sind — und seitdem nicht einmal mehr den Schatten eines männlichen Wesens ertragen. „Vielleicht“, sage ich, „sollten wir Frauen mal einen nationalen Männerphobietag einlegen. Unkontrollierte Zuckungen, sobald einer morgens die U-Bahn betritt. Flucht über die Feuertreppe beim Anblick eines Mannes im Büro.“ Clarice gewinnt Gefallen an der Idee. „Stell dir die Ladies bei McDonald's vor, die nur spitze Schreie ausstoßen, wenn die Herren mittags ihren Quarterpounder mit Käse ordern.“

Das Wort „Käse“ ruft sie offensichtlich wieder in die harte Wirklichkeit zu ihrem erkalteten Omelett zurück. „Vergiß es — sag mir lieber, was wir mit Ellen Jandrucko machen.“ „Sie braucht einen Body Guard — ist doch logisch.“

„Am besten einen Schwarzen.“