KOMMENTAR
: Einsatz für wen?

■ Quer durch die Parteien wird eine neue Polizei-Sondertruppe gefordert

Es gibt Bilder, die Schlüsselszenen der politischen Geschichte eines Landes markieren. Das brennende Flüchtlingsheim in Rostock- Lichtenhagen ist ein solches Bild. Wer die Fernsehaufnahmen dieser Nacht gesehen hat, wird künftig immer, wenn von Gewalt gegen Fremde, von Rassismus in Deutschland die Rede ist, dieses Bild vor Augen haben. Und gleich nach dem Bild kommt die Erinnerung an die Umstände, welche diese Bilder möglich gemacht haben. Die Erinnerung an eine Polizei, die sich zurückzieht und tatenlos zusieht, wie Menschen in eine lebensgefährliche Situation geraten.

Bilder und Assoziationen dieser Tragweite können nicht ohne Reaktion bleiben. Die nächstliegende wäre, festzustellen, wo die Verantwortung für das Debakel lag und entsprechende Konsequenzen daraus zu ziehen. Tatsächlich behauptet jetzt der zuständige Innenminister Kupfer, das Debakel habe gar nicht stattgefunden, das offensichtliche Versagen sei vielmehr eine angemessene Reaktion gewesen. Bestenfalls lassen sich die Größen der mecklenburgischen Landespolitik zu der Aussage hinreißen, von der Polizei im Osten Deutschlands könne eben noch nicht erwartet werden, was im Westen Standard sei. Ausgerechnet der sozialdemokratische Vorsitzende des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, Hans Gottfried Bernrath, macht sich diese Argumentation jetzt zu eigen und fordert die Bildung einer Sonderpolizeitruppe, die bundesweit gegen „rechts- und linksradikale Krawalltouristen“ eingesetzt werden kann. Tausend Mann als Reaktion auf die Bilder aus Rostock- Lichtenhagen müßten genügen, hofft Bernrath, um die polizeiliche Hilflosigkeit vergessen zu ma-

chen. Ihm assistiert der Vorsitzende der Poli-

zeigewerkschaft Lutz, für den es zusätzlich noch einer ordentlichen Judoausbildung bedürfe — und die „Truppe gegen den Straßenterror“ könne loslegen.

Wollen die Herren uns im Ernst glauben machen, in einem Land mit der höchsten Polizeidichte der westlichen Welt sei es unmöglich, Flüchtlinge gegen Rechtsradikale zu schützen, ohne gleich wieder eine neue polizeiliche Wunderwaffe aus der Taufe zu heben? Sollen wir im Ernst annehmen, die mangelnde Präsenz der Polizei zum Schutz des Flüchtlingsheims sei das Ergebnis nicht vorhandener Kapazitäten? 60 Polizisten, so Kupfer, habe man in Rostock aufgeboten, als es losging. Daß es leicht 600 bis 6.000 hätten sein können, hat das letzte Wochenende gezeigt. Vorausgesetzt, man entscheidet sich dafür, sie auch einzusetzen. Jürgen Gottschlich