Aufwiegelnde Mao-Fahne

■ Prozeß um Landfriedensbruch bei einer Demo für Mete Eksi

Moabit. 15.26 Uhr zeigt das Insert des Polizeivideobandes, das gestern vor Gericht abgespielt wurde. Die Stimme eines Unbekannten ist aus dem Off zu hören: »Die gehen da rein. Was soll denn die Scheiße?« Gemeint ist ein Polizeieinsatz am 16. November 1991 vor dem Rathaus Schöneberg gegen Demonstranten des »Trauermarsches« für Mete Eksi, der bei einer Auseinandersetzung mit jungen Deutschen getötet worden war. Einer der Demonstranten, der 28jährige Garip M., mußte sich gestern vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen angeblichen schweren Landfriedensbruchs und Widerstandes bei der Festnahme verantworten. Durch das Schwenken einer Fahne, die per Schriftzug auf Mao Tse-Tung hinwies, soll er die Menschenmenge bei der Abschlußkundgebung vor dem Rathaus zu Gewalttätigkeiten gegen die Polizeibeamten aufgewiegelt haben.

Der leitende Beamte des Zuges, der die Festnahme von Garip M. vorgenommen hatte, sagte gestern vor Gericht, daß er wegen der Fahne »besonders aufgefallen sei«. Aus der Gruppe heraus, vor der oder in der sich Garip aufgehalten haben soll, seien auch Steine und Flaschen in Richtung Polizei geflogen. Zudem habe er an den Mundbewegungen und der Gestik des Angeklagten erkennen können, daß er die Umstehenden »angeheizt« habe — wahrscheinlich in türkischer Sprache habe er Parolen gerufen, aber verstehen konnte er das nicht, zu laut sei es gewesen. Deswegen habe er seine Gruppe angewiesen, den Angeklagten festzunehmen. Der habe aber »mit Händen und Füßen um sich geschlagen«. Wie Garip M. das denn angestellt haben soll, fragte der Verteidiger Peter Noß, da ihm auf dem Weg zum Einsatzwagen bereits die Arme mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt worden seien. Das zumindest gehe aus dem Protokoll eines Beamten hervor.

Wie der Beamte die Mundbewegungen des Angeklagten gesehen haben will, blieb unklar. Auf Fotos ist Garips Mund von einem Halstuch verdeckt. Auch der Standort des Angeklagten ließ sich gestern nicht eindeutig klären. Der eine Beamte will ihn Zentimeter vor den Rathaustreppen gesehen haben, eine anderer zehn bis fünfzehn Meter weiter weg. Die Videobänder halfen nicht weiter.

Drei weitere Verhandlungstage werden jetzt gebraucht, um weitere Zeugen zu vernehmen. Der Prozeß wird am 11. September fortgesetzt. rak