Hoffen, Beten, Kerzen anzünden

■ Dresdner Stadtökumenekreis rief zur Anti-Rassismus-Demo auf/ Schweigen über politische Verantwortung

Dresden (taz) — Etwa 2.000 BürgerInnen kamen am Vorabend des Antikriegstages in der Dresdner Kreuzkirche zu einem Friedensgebet gegen rassistische Gewalt zusammen. Die Initiative hatte der Stadtökumenekreis ergriffen. Dem Bittgottesdienst schloß sich ein Schweigemarsch zur Ruine der Frauenkirche an. Dort sprachen Matthias Hieke, Mitglied der Mahnwache, die in einer Woche 2.000 Unterschriften gegen Gewalt gesammelt hatte, und der Schauspieler Friedrich- Wilhelm Junge. Junge forderte die Parteien auf, das „Polittheater“ der Asyldebatte zu beenden. Aber die Botschaft dieses Abends blieb dennoch eine christliche. Wer seine Chancen, dem alltäglichen Rassismus entgegenzutreten, nicht im Gebet suchen möchte, mußte die Zusammenkunft ratlos verlassen oder war gar nicht erst gekommen.

Zwar räumte auch Bischof Johannes Hempel ein, Beten könne nicht alles sein, den Gewalttätigen müsse die Hand gereicht werden, um sie „auf einen besseren Weg“ zu bringen. Doch über Hintergründe der Pogrome, die Verantwortung der politischen Parteien schwieg er sich aus. Als „Menschen, denen das Leben keinen Spaß macht“, wurden die Täter umschrieben; die Opfer tauchten lediglich im biblischen Gleichnis auf. „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“, zitierte Hempel das Bibelwort und wunderte sich, er hätte „nicht gedacht, daß es noch einmal soweit kommen wird“. Eine Kerze zu zünden war alles, was den DresdnerInnen blieb, die schon mehrfach in ihrer Stadt ZeugInnen rechtsradikaler Randale und Aufmärsche waren.

Von ihrem Oberbürgermeister hatten wohl die wenigsten Anwesenden eine politische Rede erwartet. Herbert Wagner (CDU) überraschte sie nicht. Als ob er spätestens seit Hoyerswerda keine Zeitung gelesen hat, leierte er nur die üblichen Versatzstücke deutscher Geschichte herunter. Die Dresdner Bombennacht kam „nicht aus heiterem Himmel“, sondern weil „auf der Straße gehetzt, geprügelt und terrorisiert“ wurde, „Nationalsozialisten und Kommunisten“ sich „erbitterte Straßenschlachten“ lieferten und „genügend Menschen“ einfach nur zuschauten.

Wagner schaut nicht zu. Nachdem Stadtkämmerer Günther Rühlemann während einer „Feier“ im Juni der Polizei telefonisch angedroht hatte, sofort ein Blutbad anzurichten, da er sich durch Ausländer bedroht fühle, beschloß der Hauptausschuß der Stadtregierung mit knapper Mehrheit, dem CDU-Mann lediglich eine Abmahnung zu erteilen. Rühlemanns Kommentar in der Presse: „Man muß dem Volk aufs Maul schauen. Dann weiß man, was zu machen ist.“ Detlef Krell