Bosniens Bevölkerung fürchtet den Winter

Sarajevo/London/Belgrad (AFP) — Die ungeachtet aller Friedensbemühungen anhaltenden Kämpfe in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo schüren die Angst der Bevölkerung vor dem kommenden Winter. Zehntausende von Menschen würden in Sarajevo an Krankheiten und Kälte sterben, wenn die Belagerung nicht bald beendet werde, warnte am Dienstag der Sonderbeauftragte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Jugoslawien, Sir Douglas Acheson, in einem Interview.

Im Westteil der Stadt wurde gestern ein Lagerhaus in einem Industriegebiet von einem Artilleriegeschoß getroffen und zerstört. Auch in Gorazde wurden Berichten zufolge die Kämpfe fortgesetzt. Dennoch kündigte die UN-Flüchtlingsorganisation (UNHCR) in Genf an, daß der ursprünglich für Montag geplante Hilfskonvoi heute nach Gorazde starten sollte. UNHCR-Sprecher Ron Redman warnte allerdings, daß vor Einbruch des Winters neue Zugangsrouten für Hilfstransporte in die Kriegsgebiete gefunden werden müßten. Die Versorgung von Split aus über die Berge werde dann nicht mehr praktikabel sein. Auch die Luftbrücke nach Sarajevo werde voraussichtlich von Schnee und Nebel stark beeinträchtigt.

In Belgrad stand unterdessen der frühere US-Geschäftsmann und derzeitige Regierungschef der „Föderativen Republik Jugoslawien“ (FRJ), Milan Panic, im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung. Staatschef Dobrica Cosic äußerte sich am Dienstag gegenüber der Belgrader Nachrichtenagentur Tanjug „erstaunt“ über den Mißtrauensantrag, den die aus den Kommunisten hervorgegangene Sozialistische Partei des serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic und die ultranationalistische Radikale Partei am Vortag gegen Panic gestellt hatten. Die beiden stärksten Fraktionen im Parlament Rest-Jugoslawiens werfen Panic vor, bei der Londoner Jugoslawien-Konferenz die serbischen Interessen ungenügend vertreten zu haben. Dagegen erklärte die größte serbische Oppositionspartei, die Serbische Erneuerungsbewegung (SPO) des Schriftstellers Vuk Draskovic, noch am Montag abend, Panic habe auf der Konferenz vermeiden können, daß die ganze Welt das Todesurteil über Serbien ausspricht. Der serbische Präsident Slobodan Milosevic wolle „gemeinsam mit seinen Söldnern“ Panic „aus dem Weg räumen“. Die unabhängige Zeitung Borba schrieb, die Attacke gegen Panic sei nicht im Sinne der gemäßigten Anhänger der Sozialistischen Partei (siehe auch Seite 7).