In die Irre geführt

■ La Candelarias Kolonisationskritik beim Sommertheater verdroß durch fehlende Übersetzung

Kolonisationskritik beim Sommertheater verdroß durch fehlende Übersetzung

Das Columbus-Jahr sei für sie ein Anlaß zu notwendiger Reflexion über den „Schock des Zusammenpralls verschiedener Kulturen“, ließ die kolumbianische Gruppe La Candelaria vor ihrer Premiere verlauten. Deswegen würden sie, statt des angekündigten Stücks, Der Wind und die Asche spielen, das dazu einen Beitrag leisten könne. Doch dieser enthüllte sich höchstens dem spanischkundigen Publikum. Eine Simultanübersetzung war den Übrigen nicht vergönnt.

Die fast ausschließlich von Sprache getragene Handlung entfaltete sich als der fiebrige Traum eines alten Eroberers, der im Sterben liegt. Das Buch, in dem seine Erinnerungen aufgezeichnet sind, ist das Insignium seiner Macht. Am fragwürdigen Schluß des Stücks wird er es einem Indio, seinem Begleiter auf der Reise durch das Gedächtnis, als sein Erbe überreichen. In der Realität hat eine solche Übergabe mit Sicherheit noch nicht stattgefunden.

Die einstigen Mitstreiter und Verwandten des Eroberers, denen er wiederbegegnet, gleichen den Schiffbrüchigen und Verrückten, wie sie Goya gemalt hat. Stolz sind sie immer noch und halten sich trotzig für unsterblich, obwohl sie tot sind, begnügen sich mit Saufen und dem Besingen vergangener „Heldentaten“ wie Raubzügen und Vergewaltigungen.

Szenenwechsel in der Erinnerungsgeschichte passieren unmerklich und fließend, denn im Gedächtnis des Sterbenden ist alles gleichzeitig präsent. Wer also auf die Inhaltsangabe mit chronologischer Abfolge angewiesen war, wurde völlig irregeleitet. Jenseits dieser Probleme ließ die Inszenierung aber auch wirklich berührende Momente vermissen. Die schrille Hektik der Dialoge und die durchgehende frontale Anwesenheit aller Akteure verhinderten es. Einzig die wunderbaren Kostüme schufen ein atmosphärisches Verständnis. Julia Mummenhoff