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Sony-Sonderpreis erregt die Gemüter

■ Grüne richten Vorwürfe an Finanzsenator Pieroth/ Liberale machen Bausenator Nagel verantwortlich/ Sony verweist auf Leistungen an das Land im Zusammenhang mit dem Filmhaus Esplanade/ Gutachten soll Filmhaus aber berücksichtigt haben

Berlin. Aufgeregte Reaktionen rief die Berechnung des Gutachterausschusses über den Wert des Sony- Grundstücks am Potsdamer Platz hervor. Wie gestern berichtet, ist das 31.000 Quadratmeter große Grundstück, das Sony für gut 100 Millionen Mark erwarb, nach dem von der EG angeforderten Gutachten rund 260 Millionen Mark wert. Während Grüne und FDP Vorwürfe an Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) richteten, der das Grundstück 1991 zu billig verkauft habe, verteidigten sowohl Pieroth wie auch Sony-Geschäftsführer Rainer Wagner diesen Preis mit dem Hinweis auf Leistungen der Firma beim Filmhaus Esplanade, die nicht Gegenstand der gutachterlichen Untersuchung gewesen seien.

Wagner sagte im einzelnen, der ermittelte Wert überrasche ihn nicht, er entspreche Berechnungen von Sony. Jedoch müsse man dazurechnen, daß die Firma das alte Filmhaus Esplanade für 144 Millionen Mark instand setzen und zu einem Preis von 25 Mark den Quadratmeter für 25 Jahre an das Land Berlin vermieten werde. Die Kostenmiete betrage aber 75 Mark den Quadratmeter, bei 15.000 Quadratmetern Gesamtfläche. Zudem verzichte Sony auf eine vom Senat ausgelobte Bausubvention von 40 Millionen Mark. Was die Wertsteigerung des Grundstücks durch die Zunahme der Bürofläche um zehn Prozent angehe (wir berichteten), dürfte die in das Gutachten nicht einfließen, da diese erst nach Vertragsabschluß entstanden sei. Aus Senatskreisen war zu hören, daß das Esplanade durchaus im Gutachten berücksichtigt worden sei, aber nicht in dem Maße, wie Sony sich das vorgestellt hatte.

Der AL-Abgeordnete Bernd Köppl hält Wagners Berechnungen für »Nonsens«. In einen Vertrag müsse prinzipiell der Grundstückswert aufgenommen werden und Abschläge davon im einzelnen nachvollziehbar aufgelistet werden, das sei hier nicht der Fall. Weiter seien die von Sony angesetzten Baukosten — um die 10.000 Mark den Quadratmeter — unvorstellbar hoch und eine aus der Luft gegriffene Zahl, die so nicht im Vertrag stehe. Die 25 Mark Miete pro Quadratmeter werde das Land Berlin nur am Anfang zahlen, dann steige die Miete Jahr um Jahr. Zudem hätte Sony von diesem langen, garantierten Mietvertrag mit einem seriösen Vertragspartner auch Vorteile.

Und schon gar nicht dürfe Sony die gleichen Kosten mehrmals berechnen, nämlich einmal als verlorener Baukostenzuschuß, dann noch mal als entgangene Miete und dann womöglich noch einmal als nicht in Anspruch genommene Subvention. Im Gegenteil: Die Mietsubvention, die das Land Berlin möglicherweise im Esplanade genieße, sei sehr viel niedriger als die dem Land entgangenen Zinsen durch die Kaufpreisdifferenz zwischen 100 und 260 Millionen Mark. Die AL sprach Pieroth wegen dieses Verkaufs erneut das Mißtrauen aus.

Die FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, die das Sony-Engagement grundsätzlich begrüßte, machte hingegen Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) für das Desaster verantwortlich. Dessen Verwaltung habe vor dem Zustandekommen des Vertrags offenbar einen viel zu niedrigen Verkehrswert angesetzt. Die FDP forderte disziplinarische Vorermittlungen gegen die Bauverwaltung. Der Landesrechnungshof hatte schon in seiner Stellungnahme zu dem Verkauf des Grundstücks an Daimler-Benz moniert, daß der Gutachterausschuß im Fall Sony — wie bei Daimler — erst nachträglich eingeschaltet wurde. Eva Schweitzer

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