KOMMENTARE
: Waigel und die Kapitallogik

■ Neuer Geniestreich des Finanzministers zur Finanzierung der deutschen Einheit

Die Triebfeder kapitalistischen Wirtschaftens ist Streben nach Profit. Aufgabe der Wirtschaftspolitik ist es nach dem Selbstverständnis der Bundesregierung, dieses Streben zu fördern; denn „dann wird wieder in die Hände gespuckt“, also investiert, das Bruttosozialprodukt gesteigert, Arbeitsplätze geschaffen — und unterm Strich soll es allen besser gehen. Seit Jahren schon plant deshalb die Bundesregierung, die Unternehmens- und Vermögenssteuern zu senken, auf daß der Standort Deutschland attraktiver werde und die Unternehmer nicht abwandern.

Ach, wenn es denn so einfach wäre! Bis zu zwei Drittel des Kapitals kann sich eine in den neuen Bundesländern investitionswillige UnternehmerIn aus den diversen Ost-Fördertöpfen auszahlen lassen. Dennoch ist Ostdeutschland der unattraktivste Standort EG-Europas — trotz massiver Anreize, dorthin produktives Kapital zu tragen. Daß Unternehmer nicht investieren, liegt nämlich nicht vorrangig am Kapital. Das große Investitionshindernis in den neuen Bundesländern ist jene hochideologische Eigentumsregelung namens „Rückgabe vor Entschädigung“, die nach Ansicht aller Experten schleunigst umgedreht gehörte.

Aber auch dann blieben die Abermillionen Mark „sozialistischer Erblast“, die selbst Theo Waigel inzwischen nicht mehr einfach in Schattenhaushalten parken und vergessen kann. Kurz: Waigel braucht Geld, viel Geld zur Finanzierung der Einheit. All jene reichen Westdeutschen, die in ihrer Mehrheit beim Aufbau Ost bisher nicht mithelfen (warum auch, es bringt ihnen ja keine Vorteile), sollen jetzt wenigstens die Deutschland-Anleihe zeichnen.

Deutsches Geld, auf Luxemburger Konten gewinnbringend geparkt, soll „den Rückweg in die Heimat finden“, säuselt der Herr Finanzminister, als wäre „Heimat“ ein pekuniärer Wert. Wer sein Kapital in Luxemburg hochverzinst und steuerfrei angelegt hat, kann vermutlich seinen persönlichen Nutzen sehr gut ausrechnen. Wer dennoch sein Geld zurückholt, um Waigels zwar ebenfalls steuerfreie, aber niedrigverzinste Pfandbriefchen zu kaufen, muß nach Kapitalistenlogik unter geistiger Umnachtung leiden.

Selbst in der CDU wächst die Erkenntnis, daß die Einheit auf Kredit nicht finanzierbar ist. Durch Waigels finanzpolitisches Gewurschtel ist in den ersten beiden Jahren der Einheit ein gigantischer Schuldenberg aufgehäuft worden, denn zum Subventionenstreichen fehlte der Mut. Bezahlen dürfen wir bald alle — für Waigels Schlamperei. Donata Riedel