Verheerendes Seebeben an Nicaraguas Küste

Managua (taz) — Ein schweres Erdbeben hat am Dienstag um 19.16 Uhr Ortszeit die Pazifikküste Nicaraguas erschüttert. Die tektonischen Stöße, die nach Messungen des Erdbebenzentrums in Miami die Stärke von 7,05 auf der Richterskala erreichten, lösten eine riesige, bis zu zehn Meter hohe Flutwelle aus, die mehrere Küstendörfer unter Wasser setzte. Häuser, Menschen, Tiere und Fahrzeuge wurden ins Meer gespült. In Corinto, Nicaraguas wichtigstem Exporthafen, vor dessen Küste das Epizentrum des Bebens lokalisiert wurde, evakuierte die Feuerwehr ein Viertel der Einwohner. In den Küstendörfern Poneloya, Masachapa, Pochomil und San Juan del Sur mußten die Rettungsmannschaften bei völliger Dunkelheit arbeiten, da die Flut die Stromversorgung zusammenbrechen ließ. Nach ersten Meldungen kamen mindestens 14 Menschen ums Leben, darunter auch zwei deutsche Touristen. Mit einem dramatischen Ansteigen der Opferbilanz muß aber gerechnet werden, denn rund fünfhundert Personen wurden in der Nacht auf Mittwoch noch vermißt. Allein in Masachapa, 60 km südwestlich von Managua, waren zum Zeitpunkt der Katastrophe 41 Fischer auf hoher See.

Das Rote Kreuz, die Feuerwehr und die Armee begannen unverzüglich mit den Rettungsarbeiten. In einer mitternächtlichen Botschaft an die Nation rief Staatschefin Violeta Chamorro zur Einheit und zum Gottvertrauen auf und bat ihre Landsleute um Gebete für die Seelen der Todesopfer. Das ganze Ausmaß der Zerstörungen wird erst ermittelt werden können, wenn sich das Meer beruhigt und das Hochwasser abfließt. Man rechnet mit mehreren tausend Obdachlosen. Alle, die in den betroffenen Zonen Ferienhäuser besitzen, wurden über den Rundfunk aufgefordert, auf keinen Fall nach dem Rechten zu sehen, da noch größere Flutwellen erwartet wurden. In der Hauptstadt Managua, die vor zwanzig Jahren von einem Erdbeben fast völlig zerstört wurde, sind weder Personen- noch Sachschäden gemeldet worden. Rald Leonhard